Kreativ ist man am besten zu zweit
Wann haben Forscher die besten Ideen? Wenn sie sich mit einem Freund unterhalten, aber nur mit einem! Warum wir das persönliche Gespräch brauchen, um voranzukommen.
Yanai und Lercher befassen sich seit Jahren mit der kreativen Seite des wissenschaftlichen Fortschritts. Sie greifen dabei auf das vom Nobelpreisträger François Jacob geprägte Konzept von „Day Science“ und „Night Science“ zurück: „Day Science“ meint die moderne Naturwissenschaft als systematischen, durchgeplanten, von vorab aufgestellten Hypothesen geleiteten Prozess. „Night Science“ ist dagegen der unsystematische, kreative Teil der Wissenschaft: freies Nachdenken, das oft intuitive Spiel mit Ideen. Vor allem durch diesen kreativen Prozess entstehen qualitativ neue Fortschritte in der Wissenschaft.
Rede mit anderen.
Der Rat, den die Autoren zu Beginn ihres neuen Textes „It takes two to think” Forschenden geben, denen es um neue Erkenntnisse geht: „Rede mit anderen. Indem wir sprechen, sammeln wir nicht nur Informationen oder Ideen, sondern wir können auch neue Gedanken improvisieren, die uns allein nicht zugänglich sind.“
Sprache kann ein Motor sein
Sprache bringt Struktur ins Denken, sie zwingt dazu, die vernetzte Gedankenwelt in einen linearen, logisch strukturierten Strom von Worten zu fassen. Vor allem gesprochene Sprache ist hier wichtig, der Austausch mit anderen Menschen, die Feedback geben und so die Gedanken weiter ordnen.
Große Gruppen hindern
Doch auf die Zahl der Gesprächspartner kommt es an. Die Dynamik großer Gruppen, so Lercher und Yanai, stört eher den kreativen Prozess: Hier herrschen andere Gesetze, die stärksten, aber nicht unbedingt die klügsten Stimmen dominieren große Brainstormings. Und: Die Gruppenmitglieder ordnen sich oft einem Gruppenkonsens unter und stellen ihre eigenen Gedanken hintan.
Die ideale Gruppe? Sind 2
Die ideale Diskussionsrunde ist gleichzeitig die kleinste Gruppe: genau zwei Menschen. Zu zweit muss man sich nicht gegenseitig beeindrucken, spielen soziale Dynamiken keine Rolle. Die Gesprächspartner müssen stets fokussiert bleiben, können sich nicht gedanklich zurücklehnen. Sie sind ständig gefordert, Schritt für Schritt die Diskussion voranzubringen.
Ein fester Gesprächspartner ist der beste
Man muss nicht zwingend immer den gleichen Gesprächspartner haben. Aber es kann doch helfen. Yanai und Lercher schreiben: „Es kann sehr hilfreich sein, eine Beziehung zu einem ‚wissenschaftlichen Kumpel‘ aufzubauen, zu jemandem, mit dem wir uns wohlfühlen und mit dem wir mühelos kommunizieren können. Zu einem Menschen, der uns helfen kann, Hürden zu überwinden, wenn wir nicht weiterkommen.“
Und es gibt Regeln!
Eine Lehre können nach Kreativität strebende Wissenschaftler aus dem Improvisationstheater ziehen: Sie müssen dem Impuls widerstehen, genussvoll nach den Schwachstellen einer Argumentation zu suchen, zu kritisieren, statt konstruktiv zu sein. Eine solche Arbeitsweise bedarf Ermutigung, ein „Ja, und außerdem …“ und nicht ein „Nein, aber …“.
Lasst uns improvisieren!
Die Autoren vermuten hierhinter einen tieferen evolutionären Grund. Menschen sind soziale Wesen, die während ihrer Entwicklung gelernt haben, sich gemeinsam Herausforderungen zu stellen. Im Sinne der Wissenschaft bedeutet dies, das zu ergründen, was noch unbekannt ist. Dies sollte auch eine Lehre für wissenschaftliche Mentoren sein: „Wir sollten nicht versuchen, das Denken unserer Schüler zu formen, sondern vielmehr die Gelegenheit nutzen, gemeinsam gedanklich zu improvisieren.“ Beide werden davon profitieren.
Sucht euch einen festen Partner
Wenn ihr vorankommen wollt, dann sucht ihr euch also am besten einen festen Partner mit dem gleichen Interesse. Im Duo, so zeigt es sich, kommt man besser und schneller voran.
Die Bioinformatiker Prof. Dr. Martin Lercher von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und Prof. Dr. Itai Yanai von der New York University sind das beste Beispiel.
Originalpublikation: Itai Yanai, Martin Lercher; It takes two to think; Nature Biotechnology (2024). DOI: 10.1038/s41587-023-02074-2
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