Freizeit

Ilko vom Stüffelkopf – ein Rottweiler auf Abwegen

Vor ein paar Jahren rief uns ein Bekannter, ein Rottweiler-Züchter, an und fragte, ob wir nicht einen jungen Rottweiler-Rüden bei uns aufnehmen wollten. Der Besitzer käme wohl nicht mit ihm klar, da sein älterer Rüde sich nicht mit ihm vertragen würde. Geld wollte er keines, aber der Hund sollte wohl so schnell wie möglich aus dem Haus. Wir waren gerade leider unterwegs, also baten wir einen Freund, den Hund abzuholen und zunächst in seiner Anlage unterzubringen.

Wir wollten den Hund dann nach zwei Tagen auf unserer Rückfahrt dort abholen. Des Nachts erreichten wir die Anlage, leider gab es aus irgendwelchen Gründen dort kein oder nur spärlich Licht. Wir tasteten uns also bei fast völliger Dunkelheit vor und hörten ihn schon bald rumoren. Na ja, was tun – wir kannten den Hund nicht, der Hund kannte uns nicht, es war dunkel und irgendwie eigenartig. Also, hin zu ihm, Tür auf, in der Finsternis nach ihm gefischt und ab ins Auto. Soweit ging die Aktion gut, man weiß ja nie, wen man da so vor sich hat. Bei Licht betrachtet entpuppte Ilko sich als sehr kräftiges, aber außerordentlich nettes Kerlchen. Er war etwas über ein Jahr alt und offensichtlich froh, uns zu sehen.

Ein tiefer Einblick in sein Innerstes

Wir fanden ihn beide perfekt und meine Frau beschloss, sich intensiver mit ihm zu befassen und konfrontierte ihn zunächst mit dem ganz normalen Leben, also Stadtbesuchen, diversen Untergründen und natürlich wurde intensiv mit ihm gespielt und mit der normalen Fährtenarbeit begonnen. Ilko interessierte sich für alles, machte alles mit und versuchte, alle Spielgegenstände mit Hingabe zu zerlegen. Dann, während eines Besuches auf dem Hof der Schwiegereltern, gewährte Ilko uns auf einmal einen tiefen Einblick in sein Innerstes. Schwiegervater war gerade dabei sein Auto zu waschen und den Innenraum zu reinigen. Wir gingen auf ihn zu, als Ilko sich plötzlich massiv aufbaute, nach vorn drängte und sich losriss. Mit Schwung stürzte er sich auf die Gummiautomatten. Unter dem lauten Wehklagen meines Schwiegervaters zerlegte der Bursche in wenigen Sekunden zwei der blitzblanken und vermutlich auch teuren Matten. Die Schnipsel flogen nur so umher. Nun, am Ende war Ilko siegreich, die bösen Fußmatten erlegt und ihr Besitzer kreidebleich. Wie es so Ilkos Art war, stand er dann mit stolzgeschwellter Brust über den kläglichen Überresten seiner geschlagenen Beute. Böse sein konnte man ihm nicht, denn er hatte ein charmantes und eher kindliches Wesen. Man sah ihm an, dass er sich riesig über die gewonnene Schlacht gegen die Gummimatten freute. Also wurde es Zeit, den Stüffelkopf mit anderen Aufgaben zu beschäftigen, um seinen Elan in die richtigen Bahnen zu lenken. Ilko sollte nun im Sprengstoffbereich ausgebildet werden, da Motivation und Umweltsicherheit gegeben waren.

Neue Aufgaben im Sprengstoffbereich

Geruchskonditionierung fand er super. Die Hilfsmittel für´s Training mussten nach Ilkos Konditionierung ausgetauscht werden, denn alles war komplett zerkaut und zerstört. Er verstand schon, nach welchen Gerüchen er suchen sollte, hatte aber Probleme mit dem Anzeigeverhalten. Da das Bürschchen zwar für seine Begeisterungsfähigkeit, nicht aber unbedingt für eine rasche Auffassungsgabe bekannt war, ließen wir uns sehr viel Zeit mit ihm und wiederholten die Übungen stetig wieder. Mit der gleichen Beharrlichkeit zerstörte Ilko mit wachsender Begeisterung den Fundort seiner Zielstoffe und ließ sich nicht davon überzeugen, diesen erst durch Vorsitzen anzuzeigen. Irgendwie brachte uns er immer zum Lachen, da er mit Rieseneifer bei der Sache war und sich auch nicht ablenken lassen wollte. Immer wenn er wieder mal die Fundstelle zerlegt hatte, wartete er stolz auf seine Bestätigung.

Nun ist es für einen Sprengstoffhund eher nachteilig, wenn die Suchstätte nach dem Verlassen des Suchteams den Eindruck erweckt, die Bombe sei bereits detoniert und es ist auch nachteilig, wenn der Sprengstoffhund den verdächtigen Gegenstand nicht nur anzeigt, sondern voll Freude in seine Bestandteile zerlegt. Aber, was soll´s, dachten wir uns. Ilko machte es Spaß, also starteten wir im Schutzhundesport neu durch. Auch hier war der Junge voller Eifer und Tatendrang. Fährte und Unterordnung waren super bis perfekt. Im Unterordnungsbereich lief er am Fuß wie ein Araberhengst, die Wendungen schnell und spritzig, die technischen Übungen alle beachtlich. Einzig der Schutzdienst selbst war nicht so sein Ding. Also … in den Ärmel beißen, schütteln, den Ärmel verbellen, alles kein Problem. Nur der Schutzdiensthelfer störte ihn ein bisschen. Im Großen und Ganzen war seine Leistung in dem Bereich o.k., aber leider auch nicht mehr. Trotzdem machte es immer Spaß, ihm zuzuschauen. Mit seinem ganzen Wesen, seiner Art und seinem Fleiß begeisterte er viele Leute, die ihn sahen.

Die große Hundeausstellung

Einmal im Jahr fand in der Nähe eine große Hundeausstellung statt. Man bat uns, Ilko dort im Schutzdienst zu zeigen, um das Inte-resse Zuschauer für unseren Sport zu wecken. Uns wäre es lieber gewesen, ihn in seinen Paradedisziplinen zu zeigen, aber wir hatten Unrecht.
Ilko handelte den Schutzdienst wie ein Profi ab. Danach sollte er unter Beweis stellen, dass unsere Sporthunde nicht aggressiv sind, sondern eben nur ihrem Sport nachgehen und damit eine aus Hundesicht sinnvolle Beschäftigung gefunden haben. Das war was für Ilko. Alle streichelten ihn, er warf sich hin, ließ sich mit Vorliebe gerade von den Kindern überall streicheln und kraulen. Der Arme war ganz entsetzt, als alle wieder auf ihre Plätze zurückgingen. Fortan sollte und durfte Ilko jedes Jahr auf dieses Event und nach vollbrachtem Schutzdienst in der begeisterten Menge untertauchen. Alles in allem durfte Ilko nach einem etwas missglücktem Start ein langes und gutes Hundeleben führen, bevor er im hohen Alter von fast 15 Jahren verstarb.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.

Martin Weitkamp

Im Schatten der Gefahr

Hardcover, 128 Seiten, s/w

ISBN: 978-3-9815634-2-9

www.minervastore.de

Teilen