Liebe

„Ich halte an ihm fest, auch wenn ich weiß, dass er mich betrügt“

Erzähl mir dein Leben:

„Erzähl mir dein Leben“ ist der Ort, an dem Menschen ihre ganz persönliche Geschichte teilen. Ob große Herausforderungen, kleine Freuden, unerwartete Wendungen oder mutige Entscheidungen – hier findet jede Lebensgeschichte ihren Raum. Durch das Erzählen entdecken wir uns selbst und können auch anderen helfen.

Cleo hat durch Zufall entdeckt, dass ihr Mann eine Affäre mit seiner Arbeitskollegin hat. Sie hofft, dass er sich besinnt und zu ihr zurückkommt.

Minerva VISION: Du hast dich entschieden, bei deinem Mann zu bleiben, obwohl du weißt, dass er eine Affäre hat. Magst du uns erzählen, wie du davon erfahren hast?

Cleo: Ich habe es eher zufällig erfahren. Er hat sein Handy auf dem Küchentisch liegen gelassen, und da kam eine Nachricht von seiner Kollegin. Ich habe es gelesen und es war eindeutig. Zuerst dachte ich, ich hätte mich verguckt, aber es war leider nicht zu übersehen.

Minerva VISION: Was hast du in diesem Moment gefühlt?

Cleo: Es war, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Ich war schockiert, verletzt, gleichzeitig unfassbar wütend. Aber noch viel stärker war die Angst: Angst davor, ihn zu verlieren, Angst davor, dass unsere Familie auseinanderbricht.


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Minerva VISION: Du hast beschlossen, nicht mit ihm darüber zu sprechen. Warum?

Cleo: Ich weiß, dass das für viele unverständlich klingt. Aber ich habe mich entschieden, an unserer Beziehung festzuhalten. Ich möchte nicht, dass alles zerbricht. Ich habe das Gefühl, wenn ich es anspreche, wird es real. Ich glaube, er würde sich dann entweder für sie entscheiden oder ich müsste ihn verlassen. Ich weiß, dass es sich feige anhört, aber ich möchte, dass unser gemeinsames Leben weiterläuft. Ich liebe ihn noch immer.

Minerva VISION: Viele Menschen würden sagen: „Sprich es an, du verdienst die Wahrheit!“ — Was hält dich davon ab?

Cleo: Ich denke, ich kenne die Wahrheit schon. Ich muss sie nicht noch einmal hören. Vielleicht will ich mich selbst schützen. Außerdem mache ich mir Vorwürfe: War ich nicht aufmerksam genug? Habe ich mich zu sehr auf die Kinder konzentriert? War ich nicht mehr spannend für ihn? Ich glaube, wenn ich es ausspreche, stürzt alles ein. Ich bin nicht bereit, diesen Schmerz auszuhalten. Ich will lieber versuchen, die Situation so angenehm wie möglich zu gestalten, in der Hoffnung, dass er merkt, was er an mir hat.

Minerva VISION: Du versuchst also, ihm die Beziehung besonders schön zu machen?

Cleo: Ja. Ich koche seine Lieblingsgerichte, ich bin nachsichtiger, ich versuche, ihm keine Vorwürfe zu machen. Ich möchte, dass er sich bei mir wohlfühlt. Vielleicht ist das naiv, aber ich hoffe, dass er irgendwann zurückkommt — zu mir, ganz.

Minerva VISION: Hast du darüber mit jemandem gesprochen?

Cleo: Nur mit meiner besten Freundin. Sie versteht meine Entscheidung nicht. Sie sagt, ich würde mich selbst verraten. Ich weiß, dass sie damit nicht ganz Unrecht hat, aber ich kann gerade nicht anders. Ich habe nicht die Kraft, ihn zu verlieren.

Minerva VISION: Was wünschst du dir für die Zukunft?

Cleo: Ich wünsche mir, dass wir wieder zueinanderfinden. Dass er erkennt, wie viel wir gemeinsam haben. Ich wünsche mir, dass er aufwacht, bevor ich an diesem Schweigen kaputtgehe.

Minerva VISION: Was würdest du anderen Frauen sagen, die in einer ähnlichen Situation sind?

Cleo: Ich würde niemandem raten, meinen Weg zu gehen. Ich weiß, dass er nicht gesund ist. Aber ich verstehe jede Frau, die sagt: „Ich schaffe es nicht, ihn zu verlieren.“ Ich glaube, wir müssen alle unseren eigenen Umgang mit Schmerz finden. Ich hoffe nur, dass wir dabei uns selbst nicht völlig vergessen.

Der Kommentar von Nina, unserem Selbsthilfe-Coach: Loslassen würde heilen.


„Ich halte an ihm fest, auch wenn ich weiß, dass er mich betrügt.“ Dieser Satz berührt mich. Und er tut weh. Warum? Weil darin so viel Angst steckt. Angst vor dem Alleinsein, Angst vor Veränderung, Angst, nicht gut genug zu sein.

Wenn wir betrogen werden, erleben wir eine fundamentale Kränkung. Unser innerer Wert, unser Selbstbild, unsere Sicherheit, alles wird erschüttert. In dieser Situation ist es ganz menschlich, zunächst in Schockstarre zu verharren. Wir wollen nicht glauben, dass unser Partner uns so tief verletzen konnte. Aber genau hier liegt die Falle: Anstatt den Schmerz bewusst zu fühlen und unsere Bedürfnisse ernst zu nehmen, versuchen wir, alles „heile“ zu halten. Wir fangen an, die Beziehung für den anderen möglichst angenehm zu gestalten. Wir passen uns an, geben uns noch mehr Mühe, in der Hoffnung, dass wir wieder geliebt, gewählt, bestätigt werden.

Das klingt liebevoll, ist aber vor allem eines: Selbstaufgabe. Denn wenn wir uns verbiegen, um den anderen nicht zu verlieren, verlieren wir vor allem eins, uns selbst. Wir hören auf, unsere eigenen Grenzen zu spüren. Wir hören auf, auf unsere Gefühle zu hören. Und wir hören auf, uns selbst treu zu sein.

Ein wichtiger Schritt wäre, sich zu fragen:
„Was sagt es über mich aus, dass ich mich so sehr an jemanden klammere, der mich verletzt?“
„Welche Angst steht dahinter?“
„Welche alten Muster werden hier getriggert?“

Oft hat diese Dynamik ihre Wurzeln in der Kindheit. Vielleicht haben wir schon früh gelernt: „Ich muss brav sein, um geliebt zu werden.“ Oder: „Ich darf nicht wütend sein, sonst werde ich verlassen.“ Solche Glaubenssätze wirken tief in uns und steuern unbewusst unser Verhalten. Der Schlüssel liegt nicht im Partner, sondern in uns selbst. Nur wenn wir anfangen, uns selbst als wertvoll zu sehen, unabhängig davon, ob jemand bei uns bleibt oder geht, können wir wirklich frei lieben.

Es geht nicht darum, sofort eine Entscheidung zu treffen oder alles hinzuschmeißen. Aber es geht darum, wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen. Eigene Gefühle ernst zu nehmen. Klar zu erkennen: „Ich darf wütend sein. Ich darf traurig sein. Ich darf auch gehen.“ Denn am Ende ist die wichtigste Beziehung die zu uns selbst.

Deine Geschichte ist es wert, erzählt zu werden. Egal, ob du selbst schreibst oder liest – „Erzähl mir dein Leben“ verbindet uns alle durch das, was uns am meisten ausmacht: unsere Erfahrungen. Du möchtest deine Geschichte erzählen? Dann schreib uns eine Mail an: redaktion@minerva-vision.de.

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