Gesundheit

„Ich dachte, das ist halt so“ – Mein Leben mit Endometriose

Von außen war ich ein ganz normales Mädchen. Doch einmal im Monat wurde ich zu jemandem, den ich kaum erkannte. Ich lag im Bett, krümmte mich vor Schmerzen, weinte, übergab mich – und nahm dabei schon Schmerzmittel. Nichts half wirklich. Es waren meine Tage. Und ich dachte: Das ist halt so bei mir. Was ich damals nicht wusste: Ich war nicht einfach wehleidig. Ich war nicht empfindlicher als andere. Ich war krank. Ich hatte Endometriose – ohne es zu wissen.


Diagnose? Fehlanzeige.

Das Wort fiel nie. Auch nicht beim Kinderarzt. Auch nicht im Biounterricht. Endometriose – das klang wie eine Krankheit aus dem Medizinstudium, nicht wie etwas, das ein 14-jähriges Mädchen betreffen könnte. Dabei betrifft sie jede zehnte Frau – oft schon ab der ersten Regelblutung. Ich war eine davon. Die Schmerzen bestimmten meine Monatsplanung. Ich wusste genau: In dieser Woche würde ich nicht schwimmen, kein Kino, keine Verabredung, kein Sportfest. Ich wusste nur: Ich würde kämpfen. Gegen einen Schmerz, den niemand sah. Und gegen die Angst, die damit kam. Denn ich hatte regelrechte Panik vor meiner Regel. Ich wachte nachts auf und wusste: Es geht los. Und ich konnte nur hoffen, dass ich nicht ohnmächtig werde.


Weitere Themen:

Was geholfen hat? Jemand, der mich ernst nahm.

Ich weiß noch genau, wie erleichtert ich war, als eine Frauenärztin sagte: „Das muss nicht so sein.“ Sie war mutig. Und sie war modern. Denn sie verschrieb mir mit 14 die Pille – damals keine Selbstverständlichkeit. Die Schmerzen wurden besser. Erträglicher. Ich konnte atmen, funktionieren, leben. Mit zusätzlichen Schmerzmitteln natürlich. Meine Mutter sagte: „Nach dem ersten Kind wird’s besser.“ Sie sollte recht behalten. Nach der Geburt meines ersten Kindes veränderte sich mein Zyklus. Die Schmerzen blieben – aber auf einem Niveau, mit dem ich leben konnte. Was bleibt, ist die Frage: Warum hat niemand früher hingeschaut?


Endometriose heute – was hilft wirklich?

Ich bin heute keine Vierzehn mehr. Aber ich spreche darüber. Denn ich will nicht, dass Mädchen sich weiter allein fühlen. Oder denken, sie seien hysterisch, empfindlich, schwach. Endometriose ist eine chronische, oft übersehene Erkrankung, bei der gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter wuchert. Sie kann zu Schmerzen, Zyklusstörungen, Unfruchtbarkeit und Erschöpfung führen. Und sie betrifft nicht nur den Körper – sondern auch das Selbstwertgefühl.


Was helfen kann – heute mehr denn je:

❤️ Gesehen werden

Der erste Schritt ist oft der schwerste: sich selbst ernst nehmen. Wer Monat für Monat leidet, sollte das nicht hinnehmen. Eine gute Frauenärztin, ein Endometriose-Zentrum oder spezialisierte Klinik kann helfen, eine Diagnose zu stellen – auch ohne Bauchspiegelung.


Medikamentöse Behandlung

Von NSAR-Schmerzmitteln wie Ibuprofen bis zu Hormontherapien (Pille, Gestagene, GnRH-Analoga) gibt es viele Optionen. Und du solltest so lange zum Arzt gehen, bis du medikamentös so eingestellt bist, dass du keine Schmerzen hast. Das ist wichtig: frühzeitig ansetzen – und nicht erst, wenn der Schmerz alles überrollt. Sonst bildet sich nachher noch ein Schmerzgedächtnis!


Ganzheitliche Wege

Wärme, Bewegung, Ernährung, Achtsamkeit – sie können keine Heilung versprechen, aber helfen. Yoga, Entspannung, entzündungshemmende Ernährung mit viel Gemüse, Omega-3-Fettsäuren und weniger Zucker können eine enorme Erleichterung bringen.


Austausch

Was ich als Teenager gebraucht hätte, war jemand, der sagt: „Du bist nicht allein.“ Heute gibt es Selbsthilfegruppen, Online-Foren, Bücher, Podcasts. Wer teilt, heilt. Fühl dich heute von mir gedrückt. Ich weiß genau, wie das ist – manchmal ist Frau-Sein so richtig sch….. Aber du musst da nicht durch. Bitte geh zu deinem Arzt und bestehe darauf, Hilfe zu bekommen!


Endometriose ist nicht normal – aber du bist es.
Wenn du diesen Satz brauchst: Bitte nimm ihn mit. Wenn dein Schmerz zu stark ist, um ihn zu ignorieren, dann ist er stark genug, um gehört zu werden. Ich dachte lange, ich müsste da durch. Heute weiß ich: Ich hätte früher Hilfe verdient gehabt.

Und du? Du darfst sie dir holen

Der Kommentar von Nina, unserem Mental-Health-Coach: „Schmerzen sind nicht normal – sie sind ein Signal.“

Wenn ein Mädchen sich bei ihrer ersten Periode nicht fragt „Wo ist die Schokolade?“, sondern „Wo ist die Notaufnahme?“ – dann läuft etwas schief. Und zwar nicht in ihr, sondern im System. Endometriose ist wie ein heimlicher Untermieter: Sie nistet sich ein, wo sie nicht hingehört, verursacht Chaos – und wird viel zu lange übersehen. Weil sie leise beginnt. Und weil wir in unserer Kultur so lange gelernt haben, dass „Frauen eben Schmerzen haben“. Da muss man halt durch. Ein bisschen PMS, ein bisschen Bauchweh – stell dich nicht so an.

Doch das ist medizinisch gesehen Unsinn. Und menschlich gesehen ein Skandal.

Denn was Betroffene erleben, ist nicht „ein bisschen was“. Es ist ein Schmerz, der den Alltag aushebelt. Der Körper und Psyche zermürbt. Und der oft Jahre braucht, bis er einen Namen bekommt: Endometriose. Im Schnitt vergehen sieben bis zehn Jahre bis zur Diagnose. Das ist nicht nur zu lang – das ist ein Armutszeugnis. Dabei wäre es so einfach, zuzuhören. Und anzuerkennen: Schmerzen sind nicht normal. Sie sind ein Signal – und sie verdienen Aufmerksamkeit. Ganz besonders dann, wenn sie regelmäßig kommen. Nicht nur monatlich, sondern generationenübergreifend.

Was es braucht?
Wissen, das nicht in Fachbüchern bleibt. Ärztinnen und Ärzte, die mehr fragen als abtun. Und Mädchen, die hören: „Du bist nicht verrückt – dein Körper hat ein Recht auf Hilfe.“ Denn gute Medizin beginnt nicht mit dem Skalpell. Sie beginnt mit dem Satz: „Ich glaube dir.“

Wenn der Schmerz bleibt – effektive Schmerztherapie bei Endometriose

Warum frühes Handeln so wichtig ist, was hilft – und wie man dem Schmerzgedächtnis zuvorkommt

Schmerzen sind ein Warnsignal. Sie zeigen uns, dass im Körper etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist. Doch bei einer chronischen Erkrankung wie Endometriose bleibt der Schmerz oft – auch wenn der ursprüngliche Auslöser längst verschwunden ist. Dann spricht man vom sogenannten Schmerzgedächtnis. Was bedeutet das? Und wie kann man Schmerzen wirksam behandeln – bevor sie sich dauerhaft im Nervensystem einbrennen?


Das Schmerzgedächtnis – wenn der Schmerz sich verselbstständigt

Wird ein Schmerzreiz – etwa durch entzündliche Endometrioseherde – über Monate oder Jahre immer wieder ausgelöst, verändert sich die Schmerzwahrnehmung im Gehirn. Die Schmerzbahnen werden „sensibilisiert“, sie feuern schneller – oft auch ohne neuen Reiz.

Das bedeutet:

Selbst wenn die Endometrioseherde operativ entfernt wurden, bleibt der Schmerz manchmal bestehen.
Der Körper hat gelernt: „Hier tut es weh.“ Und genau deshalb ist eine frühzeitige und konsequente Schmerztherapie so entscheidend.


Was hilft – und wann?

1. Akutschmerz: Medikamente gezielt und früh einsetzen

  • NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika) wie Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac helfen am besten, wenn sie frühzeitig eingenommen werden – idealerweise vor Beginn der stärksten Schmerzen. Sie wirken entzündungshemmend und schmerzlindernd.
  • Wichtig: Nicht „aushalten“, bis es nicht mehr geht – sonst greift das Schmerzgedächtnis schneller.

2. Chronischer Schmerz: Kombinationstherapie sinnvoll

Wenn die Schmerzen regelmäßig und langanhaltend auftreten, reichen einfache Schmerzmittel allein meist nicht aus. Dann braucht es eine multimodale Therapie, die mehrere Ansätze kombiniert:

  • Hormontherapien (Pille, Gestagene, GnRH-Analoga) zur Hemmung des Zyklus und damit der Endometrioseaktivität
  • Zentrale Schmerzmittel wie niedrig dosierte Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) oder Antikonvulsiva (z. B. Gabapentin) – sie beeinflussen die Schmerzverarbeitung im Nervensystem
  • Physiotherapie, um verspannte Muskulatur im Becken zu lösen
  • Psychologische Schmerztherapie, z. B. kognitive Verhaltenstherapie oder Achtsamkeitstraining

Diese Kombination kann helfen, dem Schmerz die Macht zu nehmen – im Körper und im Kopf.


Neurologie trifft Psychologie

Chronischer Schmerz betrifft nicht nur das Gewebe – sondern auch das Nervensystem und die Psyche. Studien zeigen:

Menschen, die früh lernen, Schmerz achtsam zu begegnen, entwickeln seltener ein Schmerzgedächtnis.
Hier setzen z. B. MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) oder Akzeptanzbasierte Schmerztherapien an.


Wann ist ein spezialisiertes Schmerz-Zentrum sinnvoll?

Wenn du…

  • …trotz Behandlung dauerhaft starke Schmerzen hast
  • …Schmerzmittel nicht oder nur unzureichend wirken
  • …dein Alltag durch Schmerzen erheblich eingeschränkt ist

…kann ein interdisziplinäres Schmerz-Zentrum helfen. Hier arbeiten Ärzt:innen, Psycholog:innen, Physiotherapeut:innen und Schmerztherapeut:innen Hand in Hand.


Teilen