Hunde im Einsatz – Warum Bindung wichtiger ist als Training
Warum kann nicht jeder Hund jede Aufgabe übernehmen? Was macht einen guten Suchhund wirklich aus? Und warum ist es manchmal besser, eine Trainingspause einzulegen? Martin Weitkamp erzählt aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung und gibt faszinierende Einblicke in die Arbeit mit Minenspür- und Sprengstoffhunden.
Hunde haben ja unglaubliche Fähigkeiten, aber was ist wirklich machbar? Man sagt ja oft: Arbeit macht den Hund glücklich. Stimmt das wirklich?
Martin Weitkamp: Ja, Arbeit macht den Hund glücklich – aber ich würde eher von Beschäftigung sprechen. Ein Hund unterscheidet nämlich nicht zwischen Arbeit und Spiel. Das, was er tut, ist für ihn einfach eine Form, seine natürlichen Verhaltensweisen auszuleben.
Früher hat man von Trieben gesprochen, heute sagt man eher Motivation. Ich finde, Triebe beschreibt es besser. Hunde wollen jagen, Beute machen, spielen – das ist ihre Natur.
Gerade bei Suchhunden ist es wichtig, dass sie wirklich für ihre Aufgabe brennen. Ein Hund, der sich nicht von sich aus für das Suchen begeistert, wird nicht zuverlässig arbeiten. Dabei geht es gar nicht darum, ob er den Ball am Ende findet – wichtiger ist, dass er nicht aufhört zu suchen. Er muss diesen inneren Antrieb haben, immer weitermachen zu wollen.
Das heißt also, im Grunde könnte jeder Hund eine solche Aufgabe übernehmen? Oder gibt es Rassen, die dafür eher geeignet sind?
Martin Weitkamp: Grundsätzlich kann fast jeder Hund suchen – die Frage ist nur, wie zuverlässig er es tut. Man könnte theoretisch auch einen Chihuahua als Minenspürhund ausbilden. Aber die Nervenstärke und Belastbarkeit spielen eine große Rolle. Ein Hund, der für solche Einsätze genutzt wird, muss stressresistent sein und mit ungewohnten Situationen klarkommen.
Äußere Einflüsse wie Lärm sind im Mineneinsatz gar nicht so entscheidend – aber der Hund muss zuverlässig arbeiten. Deshalb testen wir jeden Morgen unsere Hunde vor dem Einsatz in einem speziellen Testfeld.
Manchmal hat ein Hund einfach einen schlechten Tag – genau wie wir Menschen. Dann merkt man, dass er nicht voll bei der Sache ist, und dann schicken wir ihn nicht ins Feld. Das könnte fatale Folgen haben.
Klar, denn wir vertrauen diesen Hunden ja unser Leben an.
Martin Weitkamp: Ganz genau. Und nicht nur unser eigenes, sondern auch das Leben anderer. Denn wenn wir ein Gebiet als frei deklarieren, dann muss es auch wirklich frei sein.
Du hast ein tolles Beispiel für die Ausbildung, nämlich die Geschichte der Balljunkies, die du zu Sprengstoffhunden ausgebildet hast.
Martin Weitkamp: Ja, das ist ein gutes Beispiel. Was für viele Hundebesitzer vielleicht nervig ist – dieses extreme Spielen und Fixieren auf den Ball – ist für Sprengstoffspürhunde enorm wichtig.
Ich kann einen Hund nämlich nicht zwingen, zu suchen. Er muss es aus eigenem Antrieb tun. Im Grunde sucht er nicht nach Sprengstoff oder Drogen, sondern nach seinem Spielzeug. Ich zeige ihm nur den Weg, wie er an seinen Ball kommt.
Ich erinnere mich an einen Malinois, der als Sprengstoffspürhund eingesetzt wurde. Wir mussten mit ihm ein Kreuzfahrtschiff absuchen – inklusive Maschinenraum. Dort ist es eng, laut und extrem heiß. Der Hund musste trotzdem fokussiert bleiben.
Ein anderes Beispiel: Wir hatten eine Halle mit Beleuchterstegen in 40 Metern Höhe. Der einzige Weg dorthin führte über einen Kran. Der Hund wurde mit einem Gurt gesichert und hochgezogen, während ich über eine Steigleiter kletterte. Oben angekommen, sollte er direkt loslegen und suchen.
Das zeigt, wie belastbar und anpassungsfähig diese Hunde sein müssen. Sie müssen arbeiten wollen, unabhängig von ihrer Umgebung.
Das bedeutet also, die eigentliche Ausbildung ist nur ein Teil der Herausforderung?
Martin Weitkamp: Genau. Jeder Hund kann lernen zu suchen – aber nicht jeder Hund ist für den Einsatz geeignet.
Ich erinnere mich an eine Gruppe von acht Cocker Spaniels, die wir für einen Auslandseinsatz ausbilden sollten. Der Kunde wollte unbedingt diese Rasse. Am Ende war nur einer wirklich zuverlässig. Die anderen haben zwar gelernt, aber im Einsatz ließen sie sich zu leicht ablenken. Und das geht bei gefährlichen Aufgaben natürlich nicht.
Das heißt, es gibt realistische und unrealistische Erwartungen an Hunde – gerade bei Ersthundehaltern. Viele denken ja, der Hund muss von Anfang an funktionieren.
Martin Weitkamp: Ja, genau. Und das tut er nicht. Zuerst muss man sich überlegen: Welchen Hund will ich und wofür? Ich erlebe oft, dass Leute einen Malinois-Welpen kaufen, weil sie daraus einen Therapiehund machen wollen. Das kann funktionieren – aber meistens wird es das nicht.
Der wichtigste Punkt am Anfang ist die Bindung. Bevor man mit Training beginnt, muss man den Hund lesen lernen – und der Hund muss seinen Menschen lesen lernen. Ohne Bindung funktioniert nichts. Es gibt keine pauschale Trainingsmethode, die für alle Hunde gleich ist. Man muss flexibel sein und auf den Hund eingehen. Ich vergleiche es gerne mit Kindern in der Schule: Sie lernen nicht sofort komplizierte Mathematik, sondern fangen mit den Grundlagen an. Und genauso ist es beim Hundetraining.
Viele sagen: Ja, aber er muss doch…! – Nein, er muss erst einmal herangeführt werden. Es gibt Rückschläge, das gehört dazu.
Und dann gibt es diese Phasen, wo man denkt, der Hund hat plötzlich alles vergessen?
Martin Weitkamp: Absolut! Besonders bei Suchhunden sieht man das oft. Man trainiert zwei Wochen lang, alles läuft perfekt, und dann kommt ein Tag, an dem der Hund plötzlich gar nichts mehr macht. Da hilft es nicht, das Training zu intensivieren. Der beste Weg ist, den Hund zwei, drei Tage in Ruhe zu lassen. Dann fängt man wieder an – und auf einmal funktioniert es wieder.
Hunde müssen neue Informationen erst verarbeiten. Das ist völlig normal.
Ja, klar. Und du kannst ihm ja nicht einfach erklären, warum er das tun soll.
Martin Weidkamp:
Genau. Deshalb ist Bindung so wichtig. Wenn wir Hunde ins Ausland bringen, werden sie vor Ort mit neuen Hundeführern zusammengebracht. Der Hundeführer muss lernen, seinen Hund zu lesen. Jeder Hund zeigt anders an, wenn er etwas gefunden hat. Manche wedeln, andere verändern ihre Körperhaltung. Ich hatte einmal einen Hund, der nicht wie üblich seitlich mit der Rute wedelte, sondern von oben nach unten. Warum? Keine Ahnung – aber es war sein persönliches Zeichen, dass er etwas entdeckt hatte.
Oder ein anderer Hund: Der hatte so viel Spaß am Suchen, dass er gar keine Bestätigung brauchte. Er guckte nur kurz zu seinem Hundeführer hoch – so nach dem Motto: Hast du’s gesehen? – und suchte sofort weiter.
Das heißt, du trainierst nicht nur die Hunde, sondern auch die Menschen?
Martin Weitkamp: Ja, absolut. Es geht immer um das Team. Ich erinnere mich an einen Fall bei der US Army. In einer Staffel mit zehn Hunden gab es natürlich einen besten und einen schlechtesten Hund. Das Gleiche galt für die Hundeführer.
Und dann gab es ein Team, das aus dem durchschnittlichsten Hund und dem durchschnittlichsten Hundeführer bestand. Aber die beiden waren unschlagbar. Sie arbeiteten so harmonisch zusammen, dass sie besser funktionierten als alle anderen.
Das zeigt: Es kommt nicht nur auf den Hund oder den Menschen an – sondern auf die richtige Kombination.