Eine Frau, über die man spricht
Plamena Nikitassova – Mit der Geige durch die Jahrhunderte
Wenn Plamena Nikitassova spielt, scheint die Zeit stillzustehen. Doch gleichzeitig bringt sie Jahrhunderte musikalischer Geschichte zum Klingen. Seit November 2024 ist die in Bulgarien geborene Geigerin Professorin für Barockvioline an der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM). Mit Leidenschaft und Präzision widmet sie sich der Musik vergangener Epochen – und zeigt, wie lebendig Barock, Klassik und Romantik sein können. Das Besondere: Sie spielt nicht so, wie andere.
Ein Leben für die Musik
Die Musik war von Anfang an ein fester Bestandteil in Plamena Nikitassovas Leben. Geboren in Varna, Bulgarien, begann sie im Alter von fünf Jahren Geige zu spielen. Ihre außergewöhnliche Begabung führte sie mit 16 Jahren in die Schweiz, wo sie an renommierten Hochschulen in Genf und Wien studierte. Bereits früh beeindruckte sie mit ihrer Virtuosität und wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem »Premier Prix de Virtuosité« und dem Preis der Leenhards Stiftung.
Doch Nikitassova suchte mehr als technische Perfektion. Eine Begegnung mit dem Geiger Jaap Schröder eröffnete ihr die Welt der Alten Musik. „Das war ein Wendepunkt für mich“, erzählt sie. Fortan widmete sie sich der historischen Aufführungspraxis und schloss 2005 ein Studium der Renaissance- und Barockvioline an der renommierten Schola Cantorum Basiliensis ab. Wer ihr zuhört, wird auf eine musikalische Reise in unsere Geschichte eingeladen und taucht in längst vergessene Epochen ein. Ob es die eigene Seele zum Klingen bringt ist sehr individuell. Der eine hat eben eine Verbindung zur Vergangenheit, an die sich die Seele durch die Musik zu erinnern scheint, der andere nicht.
Gibt es “alte Seelen”?
Davon spricht man, wenn man das Gefühl hat, da steht ein Mensch mit außergewöhnlicher Tiefe vor einem. Was es auch sei – Erfahrung, Feingefühl, innerer Reichtum oder eben eine Art gesammeltes Lebenswissen, weil man schon lange auf dieser Erde gewandelt hat – wer weiß das schon. Aber wer das herausfinden möchte, der sollte sich anhören, wie Nikitassova spielen kann. Denn mit ihrer Gründung der Kammermusikreihe »Im Wandel der Zeit« hat Nikitassova nicht nur einen Traum verwirklicht, sondern auch ein Fenster in die Vergangenheit geöffnet. Hier kombiniert sie bekannte und weniger bekannte Werke des 18. und 19. Jahrhunderts mit historischen Spieltechniken. Besonders faszinierend ist ihr Fokus auf die sogenannte »tiefe Haltung« – eine vergessene Technik, bei der die Geige an der Brust angelegt wird. Ob es den Klang verändert? Ich finde schon, es hat etwas Mysthisches. Es ist authentisch.
Nicht nur als Solistin begeistert sie, sondern auch als Lehrerin. „Mir geht es darum, das theoretische Wissen und die spielerischen Besonderheiten einer Epoche erlebbar zu machen“, erklärt sie. Ihre Kurse und Seminare zur Verzierungskunst sind international gefragt. Und das spricht für sich.
Die Musik ist größer als jeder von uns
Trotz ihrer zahlreichen Verpflichtungen und Erfolge bleibt Nikitassova bodenständig. „Die Musik ist größer als jeder von uns“, sagt sie. Und vielleicht ist das das Geheimnis ihrer Kunst: Sie tritt persönlich zurück und lässt der Musik die Bühne. Das ist uneitel – und vielleicht deshalb so groß. In München wird sie nun die nächste Generation von Geiger*innen in die Welt der Alten Musik einführen und zeigt ihnen, wie spannend es sein kann, in die Vergangenheit zu reisen.
Foto: Prof. Plamena Nikitassova, Quelle: Tashko Tasheff