Dick und trotzdem gesund?
Warum Übergewicht nicht immer krank macht
Darf man dick überhaupt noch schreiben? Ich mache es jetzt einfach mal und nenne das Kind beim Namen. „Du musst abnehmen, sonst bekommst du Diabetes!“ – diesen Satz haben viele Übergewichtige schon gehört. Klar, starkes Übergewicht erhöht das Risiko für Bluthochdruck, Herzkrankheiten und andere Stoffwechselprobleme. Aber hier kommt die Überraschung: Nicht alle Übergewichtigen werden krank. Rund ein Viertel bleibt trotz überschüssiger Kilos gesund. Warum?
Ein Forschungsteam aus Zürich und Leipzig hat sich genau das angesehen – und mit modernster Gentechnik das Fettgewebe von gesunden und kranken Übergewichtigen unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse? Sie könnten das Verständnis von Stoffwechselerkrankungen grundlegend verändern.
Dicker Bauch, dickes Problem? Nicht immer!
Seit Jahren heißt es: Bauchfett ist der Bösewicht unter den Fettpolstern. Das tief im Bauchraum liegende Viszeralfett gilt als gefährlich, während das Fett direkt unter der Haut vergleichsweise harmlos ist.
Doch so einfach ist es nicht. Manche Übergewichtige mit viel Bauchfett bleiben gesund – während andere mit ähnlichem Körperfettanteil krank werden. Und genau da setzt die neue Forschung an.
Die Wissenschaftler*innen haben mit modernster Technologie untersucht, was im Fettgewebe wirklich passiert. Die große Frage: Welche Zellen im Bauchfett unterscheiden gesunde von kranken Übergewichtigen?
Die Antwort ist verblüffend: Es geht nicht nur darum, wie viel Fett jemand hat – sondern darum, wie das Fettgewebe organisiert ist.
Wenn Fettzellen nicht mehr mitspielen
In Fettzellen läuft viel mehr ab, als man denkt. Sie speichern nicht nur Energie, sondern verbrennen auch Fette, regulieren Hormone und senden Botenstoffe aus.
Das Forschungsteam fand heraus: Bei kranken Übergewichtigen sind die Fettzellen „faul“ geworden. Sie verbrennen weniger Fett und produzieren stattdessen mehr entzündliche Signale. Diese lösen eine Immunreaktion aus, die das gesamte Fettgewebe verändert – und das kann zu Diabetes oder Herz-Kreislauf-Problemen führen.
Doch warum passiert das nicht bei allen?
Superzellen als Schutzschild?
Die Forschenden stießen auf eine besondere Zellart: Mesothelzellen. Diese Zellen bilden eine Art Schutzbarriere um das Viszeralfett herum – und hier liegt der Schlüssel.
- Gesunde Übergewichtige haben mehr Mesothelzellen.
- Diese Zellen sind flexibler – sie können sich sogar in andere Zelltypen verwandeln, zum Beispiel in Fettzellen.
Das klingt erstmal unspektakulär. Doch genau diese Flexibilität könnte verhindern, dass sich das Fettgewebe krankhaft verändert.
„Man kennt das sonst nur von Krebszellen – dass sich spezialisierte Zellen wieder in eine Art Stammzellmodus zurückversetzen können“, erklärt Studienautorin Isabel Reinisch. „Hier scheint das aber ein Schutzmechanismus zu sein.“
Mit anderen Worten: Manche Menschen haben Fettgewebe, das sich anpasst – und andere nicht.
Was bedeutet das für die Medizin?
Diese Erkenntnisse werfen eine wichtige Frage auf: Kann man diese schützenden Zellmechanismen gezielt fördern?
Aktuell gibt es Medikamente, die bei Übergewichtigen den Appetit zügeln und die Insulinproduktion ankurbeln. Doch sie sind teuer und knapp. Hier könnten neue Biomarker helfen, um gezielt die Menschen zu identifizieren, die am meisten von einer Therapie profitieren.
Außerdem könnten neue Ansätze entwickelt werden, die gezielt das Fettgewebe umprogrammieren – weg von „faul“ und hin zu „fit“!
Fazit: Mehr als nur eine Zahl auf der Waage
Die Studie zeigt eindrucksvoll: Der BMI sagt wenig darüber aus, ob jemand gesund oder krank ist.
Es kommt nicht nur auf das Gewicht an – sondern darauf, wie das Fettgewebe funktioniert. Während bei manchen Übergewichtigen das Bauchfett zum Risikofaktor wird, bleibt es bei anderen stabil.
Also, nächstes Mal, wenn jemand sagt: „Abnehmen ist das Wichtigste für die Gesundheit“, lohnt sich die Gegenfrage: „Oder sollte es vielleicht darum gehen, wie das Fettgewebe arbeitet?“ Und das heißt? Meine Oma hatte Recht. Sie war klein und rund und wenn sie gefragt wurde warum, sagte sie immer: “Das liegt an den Genen!”. 😉
Hier schreibt Jonas Weber. Mit einer Mischung aus fundierter Forschung und einem Augenzwinkern vermittelt er komplexe Themen verständlich und unterhaltsam.Wenn er nicht gerade über die neuesten Erkenntnisse aus der Gehirnforschung schreibt, findet man ihn bei einem guten Espresso, auf der Suche nach dem perfekten Wortspiel oder beim Diskutieren über die großen Fragen des Lebens – zum Beispiel, warum man sich an peinliche Momente von vor zehn Jahren noch glasklar erinnert, aber nicht daran, wo man den Autoschlüssel hingelegt hat.