Psychologie

Der Wettkampf ums Töpfchen

„Wie hast du das geschafft, dass deine Kinder so schnell trocken geworden sind? Bei uns klappt das überhaupt nicht“, hat mich eine andere Mami aus dem Kindergarten neulich gefragt. Denn das ist ein großes Thema unter Müttern. Unter ehrgeizigen ganz besonders. Ganz ehrlich? Innerlich habe erst einmal laut gelacht. 

Das Thema hat mir so viele graue Haare und schlaflose Nächte bereitet, dass ich froh bin, dass unser Kampf nach außen hin kaum jemandem aufgefallen ist. Sollte es dir genauso gehen, dann erspar dir das. Ich erzähl dir auch, warum. 

Mein großes Bienchen ist mit drei Jahren in den Kindergarten gekommen. 

Und man kennt es doch von früher, dass die Kinder zum Kindergarteneintritt trocken sein sollen, oder? Das war zumindest mein erster Gedanke zu dem Thema und mein Impuls, mit dem Töpfchentraining anzufangen. Dabei hat unser Kindergarten das überhaupt nicht erwartet. Es wäre absolut in Ordnung gewesen, wenn das große Bienchen nicht trocken gewesen wäre. Den Druck habe allein ich mir gemacht. Mein Ziel war es, dass es bis zum Kindergartenbeginn trocken ist, komme, was wolle. 

Gepusht wurde das Ganze noch von Kindern aus dem Freundeskreis, die ebenfalls gerade trocken wurden. Stolze Mütter erzählten, wie gut es bei ihnen klappte und ja, das hatte eine Wirkung auf mich. Ich wollte das auch schaffen. Wer will schon verlieren?

Ich bin im Nachhinein wirklich froh, dass mein großes Bienchen das so gut mitgemacht hat und mir den ganzen Druck nicht übel genommen hat. Für das Bienchen war es nämlich bestimmt eine stressige Zeit. Tatsächlich schafften wir es, dass es pünktlich zum Kindergartenbeginn zumindest tagsüber relativ sicher trocken war. Rückblickend betrachtet war es für mich keine schöne Zeit. Ich war so oft frustriert, überfordert und schlecht gelaunt – durch den Druck, den ich innerlich hatte. Und während ich das schreibe, bekomme ich noch im Nachhinein einen richtigen Kloß im Hals, so schlecht ist mein Gewissen dem großen Bienchen gegenüber.

Beim kleinen Bienchen war alles anders.

Das kleine Bienchen kam bereits mit zwei Jahren in den Kindergarten. Da hatte ich keinen Druck, wegen der Trockenheit. Das hätten wir sowieso niemals geschafft. Das Mini-Bienchen sagte irgendwann mit ungefähr zweieinhalb Jahren von sich aus, dass es keine Windel mehr möchte. Ich erinnere mich gut an den Anfang: Im Kindergarten grassierte ein Magen-Darm-Virus. Der hatte uns alle erwischt und dementsprechend war die Nacht. Am nächsten Morgen, als ich das Mini-Bienchen wickeln wollte, schrie es mich an: „Mama, ohne Windel!“. Und ich dachte nur: „Super Zeitpunkt“, aber es hat auf Anhieb geklappt. Natürlich ist auch hier das ein oder andere Missgeschick passiert, aber seit dem Tag an trägt das kleine Bienchen keine Windel mehr. Wenn es etwas will, zieht es das auch durch. 

Auch die Langzeitstudie vom Kinderspital Zürich kommt zu dem Ergebnis, dass Kinder einfach ihre Zeit brauchen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit dem Töpfchentraining noch viel eher begonnen – bereits im ersten Lebensjahr. Das änderte sich mit der Einführung der Wegwerfwindeln ab den 1970ern: Durchschnittlich wurde 14 Monate später mit dem Töpfchentraining begonnen, aber es zeigte sich, dass die Kinder dadurch nicht später trocken wurden. Es ist also schlicht egal, wann man beginnt, die Kleinen aufs Töpfchen zu setzen. 

Für mich fühlt es sich so an, als sei das kleine Bienchen wirklich im Vorbeigehen trocken geworden. 

Es ging so schnell und man hat es kaum mitbekommen. Aber wahrscheinlich fühlte es sich so an, weil ich einfach nicht so fokussiert darauf war. Im Nachhinein hätte ich mir diese Gelassenheit auch beim großen Bienchen gewünscht – vor allem natürlich für das Kind, aber ehrlicherweise auch für mich. Es hätte das sicherlich auch ohne meinen ganzen Druck dahinter ganz prima gemacht. Jedes Kind braucht seine Zeit. Es geht nicht schneller, nur weil man das als Mami will. 

Übrigens hat es beim großen Bienchen noch sehr lange gedauert, dass wir auch nachts die Windel ablassen konnten. Erst mit 5 war es so weit. Das lag vielleicht an meinem schlechten Gewissen. Weil es so schnell tagsüber trocken war, habe ich ihm nachts die Windel gelassen.

Wir haben zwar immer mal wieder Versuche unternommen, die Windel nachts abzulassen. Aber das hat für mich wirklich zu schlaflosen Nächten geführt. Kind umziehen, Bettwäsche wechseln, jeden Tag Bettwäsche und Schlafanzüge waschen…. Also haben wir diese Versuche auch schnell wieder sein gelassen.

Wisst ihr, wie das große Bienchen es geschafft hat, auch nachts windelfrei zu schlafen? 

Das war in unserem Sommerurlaub damals. Das kleine Bienchen war gerade ganz frisch trocken zu der Zeit. Wir haben für beide Kinder Windeln mitgenommen. Klar, man will ja nicht, dass das fremde Bett jede Nacht nass wird. Das kleine Bienchen war aber auch nachts so sicher trocken, dass ich ihr nachts auch im Urlaub keine Windel angezogen habe. Das große Bienchen – zwei Jahre älter – musste eine anziehen. Der Blick war unbezahlbar: völliges Unverständnis ob der Situation! Und auf einmal war der Wille da: „Mama, ich möchte auch nachts ohne Windel schlafen, ich schaffe das auch“. Was soll ich euch sagen? Scheinbar hat nur der richtige Ansporn gefehlt. Das große Bienchen hat es geschafft, von jetzt auf gleich. 

Jedes Kind braucht seine Zeit und kein Kind braucht zu viel Druck. Ich habe aus der Geschichte gelernt, dass man sich viel mehr an seinem Kind als an dem orientieren sollte, was andere sagten. Heute würde ich die Windel-Sache viel entspannter angehen und falls du noch Windel-Kinder haben solltest, so rate ich dir: „Let it be“. Es ist noch jeder trocken geworden. 

Hinter Beeniequeenie steckt Nina, die mit Mann, Hund und zwei Kindern im Rheinland lebt. Sie schreibt über ihren Weg zwischen Büro und Spielplatzabenteuer, in dem sie immer versucht, die Balance zu finden und bewusste Entscheidungen zu treffen, um ihr Familienglück zu genießen. „Dabei falle ich oft hin und muss mein Krönchen wieder richten. Aber das ist etwas, was ich allen mit auf den Weg geben kann: Fehler gehören auf dem Weg einfach dazu!“

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