Das Experiment: 27 Babys und eine Menge Trommeln.
Wer aus dem Takt kommt, entwickelt soziale Probleme.
Meine Freundin aus Nigeria legt Wert darauf, ihre Kinder von klein auf bei einer Rhythmikerin schulen zu lassen. In ihrer Heimat sei das normal, erklärte sie mir. Ich ging mit und erlebte eine lustige Stunde, in der wir zu dröhnenden Trommelschlägen stampften, klatschten und tanzten. Es war lustig, und darüber hinaus scheint es auch extrem wichtig für das soziale Lernen zu sein, sagen der niederländische Wissenschaftler Henkjan Honing.
Viele Babys haben eine Spieluhr am Kinderwagen. Sie soll beruhigen und das tut sie auch tatsächlich. Bereits neugeborene Babys können den Takt in der Musik wahrnehmen. Diese Entdeckung könnte einen entscheidenden Einfluss auf das Verständnis der frühkindlichen Entwicklung haben.
Die Bedeutung von Rhythmusgefühl
Rhythmusgefühl ist mehr als nur das Gespür für Musik – es ist eine grundlegende Eigenschaft. Alles in der Natur verläuft in Rhythmen: Tag und Nacht, Ebbe und Flut, der Ablauf der Jahreszeiten, aber auch unser Herzschlag und die Art, wie wir miteinander umgehen. Es gibt feste Rhythmen, die dabei eingehalten werden müssen, damit dies gelingt. Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit einem guten Rhythmusgefühl oft bessere soziale Fähigkeiten entwickeln. Die Fähigkeit, den Takt zu erkennen, ist deshalb ungeheuer wichtig, ein zentraler Bestandteil der menschlichen Kommunikation und des sozialen Miteinanders.
Ein wissenschaftlicher Durchbruch
Wissenschaftlern der Universität Amsterdam haben nun bewiesen, dass bereits Neugeborene in der Lage sind, den Takt in der Musik wahrzunehmen. Diese Fähigkeit muss also nicht erlernt werden, sie ist angeboren. Das bedeutet, dass Babys von Geburt an in der Lage sind, einen regelmäßigen Puls in der Musik zu erkennen. „Es gibt noch viel, was wir nicht darüber wissen, wie Neugeborene Musik wahrnehmen, erinnern und verarbeiten“, sagt Henkjan Honing, Professor für Musikkognition. „Aber 2009 haben wir klare Hinweise darauf gefunden, dass Babys, die erst ein paar Tage alt sind, die Fähigkeit haben, einen regelmäßigen Puls in der Musik – den Takt – zu hören, eine Eigenschaft, die als wesentlich für das Machen und Schätzen von Musik gilt.“
Das Experiment: 27 Babys und Trommelrhythmen
Um dies zu beweisen, führten die Forscher ein Experiment mit 27 Neugeborenen durch. Den Babys wurden nacheinander zwei Versionen eines Trommelrhythmus über Kopfhörer vorgespielt. Eine mit gleichmäßigen Abständen zwischen den Schlägen und eine mit zufälligen Zeitabständen. Die Messung der Gehirnwellen war eindeutig: Bei gleichmäßigen Abständen konnten die Babys den Takt erkennen, bei unregelmäßigen Abständen hingegen nicht. „Dieser entscheidende Unterschied bestätigt, dass die Fähigkeit, den Takt zu hören, angeboren ist“, sagte István Winkler, Professor am Institut für kognitive Neurowissenschaften und Psychologie. „Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass es sich um eine spezifische Fähigkeit von Neugeborenen handelt und verdeutlichen, wie wichtig Baby- und Kinderreime für die Entwicklung junger Kinder sind.“
Denn wer nicht im Takt ist, spielt alleine
Rhythmusgefühl hat auch eine tiefe soziale Komponente. Kinder, die ein gutes Gespür für Rhythmus haben, neigen dazu, besser in sozialen Interaktionen zu sein. Sie können besser mit anderen synchronisieren und sind oft einfühlsamer. Dies zeigt, dass das Erlernen und Erleben von Musik über das Musikalische hinausgeht und tief in unser soziales Leben eingebettet ist. Ein gutes Rhythmusgefühl kann daher die soziale Kompetenz und das Einfühlungsvermögen stärken. „Die meisten Menschen können den Takt in der Musik leicht erfassen und beurteilen, ob die Musik schneller oder langsamer wird – es scheint wie eine unbedeutende Fähigkeit“, sagt Honing. „Da das Wahrnehmen von Regelmäßigkeit in der Musik jedoch das ist, was uns ermöglicht, gemeinsam zu tanzen und Musik zu machen, ist es kein triviales Phänomen. Tatsächlich kann die Taktwahrnehmung als grundlegende menschliche Eigenschaft angesehen werden.“ Denn wer den Takt in der Musik erkennt, erkennt auch die unausgesprochenen Abfolgen im gesellschaftlichen Miteinander. Nicht ohne Grund heißt es ja auch Taktgefühl.
Langfristige Auswirkungen eines guten Rhythmusgefühls
Ein gutes Rhythmusgefühl im Kindesalter kann langfristige positive Auswirkungen haben. Erwachsene mit einer ausgeprägten Rhythmusfähigkeit zeigen oft eine bessere Koordination, ein höheres Maß an Kreativität und sogar verbesserte sprachliche Fähigkeiten. Um das Rhythmusgefühl zu fördern, kannst du einfache musikalische Aktivitäten in den Alltag integrieren. Singe, klatsche Rhythmen und tanze zu Musik. Denn das Rhythmusgefühl kann verloren gehen, wenn es nicht trainiert wird. Deshalb spielen alle Aktivitäten für uns eine Rolle, die uns erneut in den Rhythmus bringen. Wie Singen, das Hören von Musik oder der Tanz. „Das ist der Rhythmus, bei dem ich mit muss!“, singt Stefan Remmler in „Keine Sterne in Athen“. Er hat es wohl schon früher gewusst.
Wer von euch also einen schlechten Tag hat und irgendwie aus dem Takt gerät, kann sich wieder einstimmen. Hört Musik, klatscht im Takt und es geht euch wieder gut.