Psychologie

Zündstoff

Wenn etwas nicht stimmt, aber du es nicht benennen kannst

Der Prozess rund um den Rapper Diddy bringt die perfiden Strategien von Love-Bombing ans Licht. Von außen ist kaum zu verstehen, warum seine Partnerinnen alles mitgemacht haben. War es das Geld? Hatten sie nicht die freie Wahl, jederzeit nein zu sagen? Wer das sagt, verkennt die Machtspielchen, in denen Frauen und auch Männer sich selbst verlieren können. Und wer den Zugang zu sich selbst verloren hat, kann nicht mehr die besten Entscheidungen für sich treffen. Aber wie entsteht eine solche emotionale Abhängigkeit?

Marie war 34, als sie zu mir kam. Zwei Kinder, gutes Studium, charmanter Partner. „Alle sagen, ich habe Glück gehabt“, sagte sie. „Aber warum werde ich dann immer so wütend? Fast schon jähzornig?“ Sie erzählte von der Anfangszeit. Wie er sie förmlich umworben hatte. Wie er sagte: „Du bist anders als alle anderen.“ Wie er ihr das Gefühl gab, endlich angekommen zu sein. „Ich dachte: Das ist es. Das ist mein Zuhause.“ Aber irgendwann wurde etwas anders. Aus: „Ich will die totale Nähe.“ wurde: „Warum musst du dich immer mit deinen Freundinnen treffen? Wir haben ja gar keine Zeit mehr füreinander“. „Wenn DU meinst…..“ „Wenn du mich wirklich kennen würdest, würdest du…“ Marie konnte es nicht festmachen. Es war kein offensichtlicher Streit. Kein Brüllen. Kein Verbot. Es war verwirrend. Aber sie fühlte sich nach und nach immer unsicherer. Und das machte sie kleiner, leiser, hilflos. Und irgendwann explodierte sie! Dann brüllte sie herum, scheinbar grundlos. Und schämte sich danach furchtbar. Deshalb war sie bei mir. Um sich zu therapieren. Eine von vielen Frauen, denen nicht bewusst sind, dass sie nur Statisten in einem perfiden Spiel sind. Es kommt dir bekannt vor? Du bist nicht alleine – wirf mit mir einen Blick hinter die Kulissen und lerne zu verstehen, was genau passiert.

Wenn die Beziehung langsam kippt

Nicht jede toxische Beziehung beginnt wie ein Albtraum. Im Gegenteil, sie beginnt oft sogar wie ein Märchen. Wie ein Rausch. Im Nachhinein berichten die meisten Frauen, dass es sehr schnell ging und sehr intensiv begann. Ein Gefühl von Seelenverwandtschaft. Ein Feuerwerk. Ein Wir. Das klingt romantisch, aber ich werde sofort immer misstrauisch, wenn ich das höre. Denn das, was am Anfang so rasant begann, ist oft kein Zeichen für echte Nähe, sondern ein taktisch aufgebautes emotionales Hoch.
Wer zu schnell zu viel gibt, überrollt deine gesunde Skepsis. Du kommst nicht mehr zum Nachdenken. Nur zum Reagieren. Je schneller du dich einlässt, desto weniger Zeit bleibt dir, Grenzen zu spüren oder Fragen zu stellen. Aber warum auch nicht? Dein Nervensystem wird schließlich überflutet mit Nähe, Intensität, Verbindung. Dein Körper sagt: Sicherheit! Wahre Liebe! Schöööön! Obwohl dein Bauch längst flüstert: Achtung… Merke dir bitte: Echte Liebe ist langsam. Sie wächst, wie eine Pflanze, langsam und sorgfältig. Aber toxische Dynamik ist eilig.

Das nennt man auch: „Love Bombing“

Ein Begriff aus der Psychologie – für das strategische Überfluten mit Komplimenten, Nähe, Geschenken, Dramatik. Das Tückische ist: es geschieht eben nicht aus Liebe. Sondern dient der emotionalen Überwältigung. „Du bist die Eine.“ „Ich kann nicht ohne dich leben.“ „Wir gehören zusammen – das spüre ich.“

Das klingt nach tiefem Gefühl, ist aber oft der Beginn einer Dynamik, in der du weniger und weniger bei dir bist. Echte Liebe beginnt anders. Langsam. Zart. Mit Raum für Zweifel. Mit Luft zum Atmen. Mit der Möglichkeit, Nein zu sagen – ohne dass der andere zusammenbricht.

Wer dich zu schnell auf ein Podest stellt, will dich oft nicht sehen – sondern besitzen. Wer dir sagt: „Ich kann ohne dich nicht leben“ meint oft: „Ich will, dass du lebst, wie ich es brauche.“ Sich einer solchen Dynamik zu entziehen, ist fast unmöglich, wenn man nicht weiß, wie sie funktioniert. Mit dem nachfolgenden Test kannst du die ersten Anfänge deiner Beziehung nochmals kritisch überprüfen.


Weitere Themen:

Bin ich verliebt – oder emotional überrollt?

Ein Test für die ersten Wochen (und wenn du ins Zweifeln kommst)

Kreuze ehrlich an, was auf dich zutrifft. Nicht, was du hoffen willst – sondern was du wirklich spürst.

1. Wie begann eure Beziehung?

  • ☐ Es war langsam, wir haben uns kennengelernt, mit Luft dazwischen.
  • ☐ Es ging sofort los – stundenlange Gespräche, intensive Nähe, große Worte.

2. Wie fühlst du dich nach einem Treffen?

  • ☐ Geerdet. Zugewandt. Und trotzdem ganz bei mir.
  • ☐ Aufgewühlt. Hoch – und dann seltsam leer oder nervös.

3. Wie viel Raum bekommst du?

  • ☐ Ich kann auch mal für mich sein, ohne dass es Drama gibt.
  • ☐ Wenn ich mal Abstand brauche, wird das hinterfragt oder als Ablehnung gesehen.

4. Wie ist dein Bauchgefühl?

  • ☐ Es ist ruhig. Ich habe keine Angst, mich zu zeigen.
  • ☐ Ich habe immer wieder Momente von: Irgendetwas stimmt nicht.

5. Wie spricht dein Gegenüber über die Zukunft?

  • ☐ Mit Neugier, ohne Druck. Es darf wachsen.
  • ☐ Schon nach kurzer Zeit ist von „für immer“ die Rede. Oder davon, wie einzigartig „wir“ sind.

6. Wer darfst du sein?

  • ☐ Ich darf ehrlich sein – auch mit Unsicherheit oder Grenzen.
  • ☐ Ich habe Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu fordern – ich will nichts kaputt machen.

7. Und ganz ehrlich: Wer entscheidet das Tempo?

  • ☐ Wir gemeinsam. Es fühlt sich ausgewogen an.
  • ☐ Meistens er/sie. Ich laufe mit – oder hinterher.

Auswertung

Überwiegend obere Spalte:

Das klingt nach einer gesunden, wachsenden Verbindung.
Du hast Raum – für Nähe, aber auch für dich selbst.

⚠️ Überwiegend untere Spalte:

Stopp. Atme. Spür hin. Das, was sich wie Liebe anfühlt, könnte eine emotionale Überwältigung sein. Nicht, weil du falsch bist – sondern weil jemand zu schnell zu viel gibt, um zu vermeiden, dass du wirklich wählen kannst.

Zum Weiterlesen: “Feuerfrau” von Livia Brand.
Warum man bleibt – obwohl es brennt
! Sie war leidenschaftlich, intensiv, atemlos – diese Beziehung. Und irgendwann war sie nicht mehr schön. Nur noch laut. Leise. Verletzend. Aber nie eindeutig. „Feuerfrau“ ist das Buch für alle Frauen, die zu lange geblieben sind. Die geliebt haben, gehofft haben, geschwiegen haben.
Die sich angepasst, entschuldigt, gerechtfertigt haben und dabei Stück für Stück sich selbst aus den Augen verloren haben. Erfahre, wie du eine toxische Beziehung erkennst und dich daraus befreist.

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