
Warum wir mit 40 plötzlich neue Freundschaften suchen
Hier schreibt die Ute. Über 50, mit mehr Lebenserfahrung als Faltencremes im Badezimmerschrank. Liebt Bücher, guten Rotwein und Gespräche, die auch mal wehtun dürfen. Sie hält nichts von Schönheitswahn und Fitness-Apps, aber viel von ehrlichen Worten und warmem Apfelkuchen. Mit Sahne. Und jeden Dienstag schenkt sie uns ihre Gedanken.
Ach, Freundschaften. Früher, mit 20, war das einfach. Man trank billigen Wein aus Pappbechern, saß auf dem Parkrasen, kicherte die ganze Nacht und versprach sich ewige Treue. „Wir bleiben immer zusammen!“ Ja, genau.
Mit 30 wurde es schon schwieriger. Da zog die eine nach Berlin, der andere nach München. Plötzlich war da der erste gute Job, die erste Eigentumswohnung, das erste Kind. Man schrieb sich noch Geburtstagsgrüße auf WhatsApp, dazu ein paar alte Fotos von der Abifahrt, und schwor sich: „Wir müssen uns unbedingt bald wiedersehen!“ Spoiler: Man sah sich nicht.
Und dann kommt 40.
Die große Zwischenbilanz
Mit 40 ist man kein Jungspund mehr, aber auch noch nicht ganz im Club der Senioren. Es ist ein seltsames Alter, fast so, als würde man auf einem Bahnsteig stehen und den nächsten Zug suchen. Da ist die Karriere, die irgendwie läuft — oder auch nicht. Da sind Beziehungen, die halten oder gerade mit lautem Knall implodieren. Und da sind diese Kinder, die man entweder schon hat, nicht hat, oder die gerade beschlossen haben, einen nicht mehr cool zu finden.
Mitten in diesem Durcheinander merkt man plötzlich: Viele alte Freunde passen nicht mehr. Nicht, weil sie schlechte Menschen wären. Aber weil wir nicht mehr dieselben sind. Die Freundin, die immer noch jeden Samstag in Clubs tanzt? Schön für sie — aber wir wollen lieber um 22 Uhr mit einem Buch ins Bett. Der Kumpel, der sich seit 15 Jahren über dieselben Witze kaputtlacht? Wir schmunzeln müde.
Was suchen wir eigentlich?
Mit 40 wollen wir keine Clique mehr, in der wir uns beweisen müssen. Wir wollen Menschen, bei denen wir nicht erklären müssen, warum wir abends lieber auf dem Sofa bleiben, statt bei Vollmond nackt in einen See zu springen. Wir wollen keine ständige Konkurrenz, wer fitter, schöner, erfolgreicher ist. Wir wollen Ruhe. Wärme. Verständnis.
Wir wollen Freunde, mit denen man stundenlang schweigen kann, ohne dass es peinlich ist. Freunde, die verstehen, dass wir abends schon mal um halb zehn sagen: „Ich glaub, ich muss jetzt heim, morgen früh ist Yoga — oder der Wocheneinkauf.“
Der Mut zur Lücke
Viele von uns stellen mit 40 fest: Freundschaften sind keine Pflichtveranstaltung. Man muss nicht alle aus dem Studium oder vom Eltern-Kind-Turnen mitziehen. Man darf aussortieren. Loslassen. Und sich neu umschauen.
Und plötzlich sind wir wieder offen. Für die Nachbarin, mit der wir beim Müllraustragen ins Gespräch kommen. Für die Kollegin, die beim Kantinenessen eine schlaue Bemerkung macht, die hängen bleibt. Für den Typen in der Buchhandlung, der dasselbe Buch zurücklegt wie wir.
Manchmal entstehen gerade dann die besten Freundschaften. Wenn man nicht mehr krampfhaft sucht, sondern einfach da ist. Offen. Ohne Show.
Freundschaften wie ein guter Wein
Freunde mit 40 sind wie ein guter Rotwein. Sie dürfen atmen, sie müssen nicht immer laut knallen, sie sind nicht für jeden Abend da. Aber wenn sie da sind, wärmen sie von innen. Vielleicht haben wir mit 40 endlich verstanden, dass Freundschaft nicht heißt: immer verfügbar, immer einer Meinung, immer lustig. Sondern: ehrlich, beständig, manchmal still. Also, meine Lieben: Wenn ihr mit 40 plötzlich das Gefühl habt, euch fehlen Menschen, die wirklich zu euch passen — dann nur zu! Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Reife.
Geht raus, redet, hört zu. Und wenn euch jemand begegnet, bei dem ihr das Gefühl habt, ihr könnt so sein, wie ihr seid — schnappt euch diesen Menschen. Das Leben ist zu kurz für lauwarme Bekanntschaften. Und wer weiß? Vielleicht sitzt ihr mit 70 zusammen auf einer Parkbank, trinkt heimlich Sekt aus dem Thermobecher und sagt: „Weißt du noch, damals mit 40…?“
Die Ute vom Dienstag