
Warum dein Partner nach Streit schweigt und wie du das Eis brichst
Der Umgang mit einer beleidigten Leberwurst
Von Julia Klimt
Wir haben uns gestritten. Fing ganz harmlos an. Ich habe mich beschwert, dass seine Turnschuhe mal wieder auf dem Bogen rumliegen, weil der Staubsaugerroboter dann nämlich die Schnürsenkel auffrisst. Unnötig und ärgerlich. Er räumte die Schuhe weg. Und jetzt herrscht eisiges Schweigen. Ein klärendes Gespräch? Fehlanzeige. Stattdessen zieht er sich komplett zurück. Ich kenne das schon. Diese Phase kann Stunden dauern, manchmal sogar Tage. Irgendwann fängt er sich wieder und wird normal. Seine Mutter sagte, er wäre schon als Kind so gewesen. Leicht kränkbar, schnell beleidigt. Und ich? Fühle mich hilflos, verletzt und frage mich, wie ich damit umgehen soll. Nun sitze ich hier an der Quelle, umgeben von klugen Menschen und habe konkrete Strategien an die Hand bekommen. Und ich habe sie alle ausprobiert. Eine mit mehr, andere mit weniger Erfolg.
Wenn die Beziehung in die Eiszeit rutscht
“Schweigen nach einem Streit ist ein Zeichen dafür, dass eure Beziehung in eine Art Eiszeitphase gerutscht ist.”, erklärt mir Nina, unser Mental-Health-Coach. “Das kann verschiedene Gründe haben: Vielleicht habt ihr euch in dem Konflikt so verrannt, dass keiner mehr einen Ausweg sieht. Oder einer von euch ist so verletzt, dass er gar nicht mehr erreichbar scheint.” Das ist bei den Schuhen doch nun wirklich nicht der Fall, denke ich mir. Ich bin nur frustriert, weil er sich nicht an die logischen Regeln hält. Staubsaugerroboter frisst Schnürsenkel, folglich gehören die Schuhe ins Regel. Da gibt es doch gar keinen Konflikt, das ist Logik. Und nun legt Nina los.
Der Unterschied zwischen Macht- und Beziehungsmodus
“Um zu verstehen, was schief läuft, müssen wir uns anschauen, in welchem Modus ihr euch gerade befindet. Jede Beziehung pendelt zwischen zwei Zuständen:
Machtmodus: Hier dreht sich alles um Gewinnen und Verlieren, Richtig und Falsch. Ihr kämpft gegeneinander, anstatt miteinander zu sein.
Beziehungsmodus: Hier stehen Kontakt, Verstehen und Verbundenheit im Vordergrund. Ihr seid ein Team.
Wenn Situationen zu sehr in den Machtmodus kippen, entsteht genau diese Blockade. Dein Partner schweigt, weil er im Kampfmodus gefangen ist. Für ihn ist es eine Sache der Macht: wer entscheidet, wo die Schuhe hinsollen? Wer bestimmt die Regeln in der Wohnung? In unserem Leben? Wenn ich schon bei den Schuhen nachgebe, wer bin ich denn dann noch?” Ich übersetze: für mich ist es eine Sache der Vernunft, die Schuhe ins Regal zu räumen. Für ihn ist es eine Sache der Selbstachtung, es nicht zu tun, obwohl er es logisch durchaus versteht.
Warum dein Partner schweigt
Schweigen ist dann oft eine Rettungsreaktion. Sein Verstand weiß, dass die Schuhe ins Regal gehören. Aber eine andere Stimme in ihm schreit: “Lass dir bloß nichts sagen!” Schweigen ist seine Art, Kontrolle zu behalten, weil er argumentativ verlieren würde. Nur führt dies paradoxerweise dazu, dass er die Kontrolle über die Beziehung verliert. Das Wichtigste, was ich verstand: Sein Schweigen hat meistens wenig mit mir zu tun und viel mit dem, was in ihm vorgeht. Das macht es nicht weniger schmerzhaft für mich, aber es half mir, nicht alles persönlich zu nehmen. Wie gehe ich nun mit dieser Leberwurst-Phase um? Die kluge Nina rät dazu Folgendes:
Ninas Rat: Vom Erwartungsmodus in den Beziehungsmodus wechseln
“Wenn du versuchst, das Schweigen zu durchbrechen, achte darauf, wie du mit ihm sprichst. Typische Sätze im Erwartungs- und Machtmodus sind:
- “Ich erwarte, dass du endlich mit mir redest.”
- “Ich akzeptiere nicht, dass du schweigst.”
- “Du musst mir sagen, was los ist.”
Diese Sätze verstärken das Problem, weil sie Druck aufbauen. Versuche stattdessen, deine Bedürfnisse zu formulieren:
- “Ich fühle mich unwohl, wenn du schweigst.”
- “Es belastet mich, wenn wir nicht miteinander sprechen.”
- “Ich brauche das Gefühl, dass wir miteinander reden können.”
Spürst du den Unterschied? Die zweite Variante klingt weniger wie ein Vorwurf und mehr wie eine Einladung.
Das Eis zum Schmelzen bringen
Wenn Reden nicht mehr funktioniert, musst du andere Wege finden. Zum Beispiel, gemeinsame Erinnerungen teilen. Das kann ein Foto von eurem letzten Urlaub sein oder eine kleine Geste, die zeigt: “Wir haben so viel Gutes zusammen erlebt.” Manchmal sagt eine liebevolle Berührung mehr als tausend Worte. Eine Hand auf der Schulter, eine Umarmung, wenn er sie zulässt. Berührung kann Verbindung schaffen, wo Worte versagen. Oder schlage etwas vor, was ihr beide gerne macht. Einen Spaziergang, einen Film schauen, zusammen kochen. Geteilte Erlebnisse können das Eis brechen, wo Gespräche scheitern.” Ich habe das probiert, Gelegenheiten dazu hatte ich reichlich. Es hat mich Überwindung gekostet, weil ich das Gefühl hatte, dass ich mir etwas vergebe. Dennoch habe ich das letzte Mal den schweigenden und muffigen Menschen an meiner Seite einfach in die Arme genommen und gesagt: “Ach, wir haben doch schon ganz anderes geschafft!” Und was soll ich sagen? Er ist geschmolzen. Als das Trotzige, Verhärtete ging weg, er seufzte einmal tief auf und war erleichtert.
Wann du loslassen solltest
Aber soll das jetzt immer so gehen? Das muss ich mir wirklich überlegen. Was wenn er dauerhaft so reagiert und ich immer wieder den ersten Schritt machen muss? Ich meine, ich bin ja schließlich auch nur ein Mensch und ich glaube, dann bekäme die Beziehung aus meiner Sicht einfach Schlagseite in die falsche Richtung. Dann ist es Zeit, ehrlich zu bewerten: Überwiegen die guten Seiten noch die schwierigen? Oder ist die Waage längst in die falsche Richtung geneigt? Ich habe in einem ruhigen Moment mit ihm darüber gesprochen und ihm gesagt, dass ich ihm da nicht ständig raushelfen kann. Eine Beziehung ist kein Wettkampf, den einer gewinnen muss. Es ist ein Tanz, bei dem beide die Schritte kennen müssen. Manchmal braucht es nur einen, der den ersten Schritt macht. Aber das kann nicht immer nur der Gleiche sein.
Kommentar von Jonas, unserem Experten für Neurobiologie: Wir Menschen sind ja seltsame Wesen.
Nach einem Streit wünschen wir uns, dass der andere sofort wieder auf uns zugeht, uns umarmt und sagt: „Alles halb so schlimm, Schatz!“ Stattdessen herrscht Stille. Funkstille. Das ist, als ob man beim Hausarzt sitzt, sich entblößt hat und dann hört: „Ich komme gleich wieder.“ Und dann kommt keiner.
Warum schweigen wir? Weil wir manchmal innerlich so laut streiten, dass wir nach außen nichts mehr sagen können. Schweigen ist die Sauna für die Seele: Man schwitzt, fühlt sich unwohl, aber irgendwie hofft man, dass danach alles besser wird. Nur ohne Aufguss bleibt’s halt trocken.
Wer in einer Beziehung ständig im „Machtmodus“ ist, gewinnt vielleicht ein paar Diskussionen, verliert aber die Nähe. Beziehungen sind nämlich keine Gerichtsverhandlungen. Niemand möchte ständig Beweisfotos von der letzten Spülmaschine oder WhatsApp-Chats vorgelegt bekommen.
In diesem Sinne: Mehr tanzen statt kämpfen. Mehr zuhören statt siegen wollen. Und nicht vergessen: Auch Eis schmilzt, wenn man ihm Wärme gibt.