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Warum dein Frühchen in den Sportverein sollte

Du dachtest, Sport sei nur gut für die Muskeln deines Kindes? Weit gefehlt! Eine bahnbrechende Studie der Universität Basel zeigt: Besonders für Frühgeborene kann körperliche Aktivität der Schlüssel zu besseren Schulnoten und mehr Selbstkontrolle sein. Wenn dein Kind zu früh auf die Welt kam und heute Schwierigkeiten in der Schule hat, könnte die Lösung überraschend einfach sein – und macht auch noch Spaß.

Wenn der frühe Start Spuren hinterlässt

Viele Eltern von Frühgeborenen kennen das: In den ersten Lebensjahren wird dein Kind medizinisch eng begleitet, die meisten Entwicklungsverzögerungen wachsen sich aus. Doch was passiert, wenn aus dem kleinen Kämpfer ein Teenager wird? Hier wird es interessant – und manchmal auch herausfordernd.

Kinder, die vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren wurden, zeigen auch noch im Alter von 9 bis 13 Jahren deutliche Unterschiede zu ihren termingeborenen Altersgenossen. Das Stichwort heißt: Impulskontrolle. Diese Fähigkeit, spontane Reaktionen zu unterdrücken und bewusste Entscheidungen zu treffen, ist entscheidend für schulischen Erfolg und soziales Verhalten.

Der unsichtbare Kampf im Klassenzimmer

Stell dir vor: Dein Kind sitzt in der Mathe-Stunde, kennt die Antwort und möchte sofort reinrufen – kann aber den Impuls nicht unterdrücken, obwohl es weiß, dass es sich melden sollte. Oder es beginnt mit den Hausaufgaben, lässt sich aber sofort von jedem kleinen Geräusch ablenken. Diese schwächere Impulskontrolle kann zu schlechteren Schulleistungen führen und erhöht später sogar das Risiko für Verhaltensprobleme oder Suchterkrankungen.

Die Baseler Forschenden testeten 54 sehr frühgeborene Kinder zwischen 9 und 13 Jahren mit einem cleveren Experiment: dem “Go/NoGo”-Test. Die Kinder sollten bei einem Signal blitzschnell einen Knopf drücken, bei einem anderen Signal jedoch gar nicht reagieren. Währenddessen wurde ihre Hirnaktivität gemessen.

Die überraschende Entdeckung

Das Ergebnis war verblüffend: Frühgeborene Kinder mit gut entwickelten motorischen Fähigkeiten standen den termingeborenen Kindern in Sachen Impulskontrolle praktisch in nichts nach. Je geschickter ein Kind beim Ballspielen, beim Balancieren oder bei feinmotorischen Aufgaben war, desto besser konnte es auch seine Impulse kontrollieren.


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Diese Erkenntnis ist revolutionär, denn sie zeigt: Die Unterschiede zwischen früh- und termingeborenen Kindern lassen sich vollständig über die motorische Geschicklichkeit erklären. Das bedeutet konkret: Förderst du die körperlichen Fähigkeiten deines Kindes, verbesserst du automatisch auch seine geistigen Fähigkeiten.

Warum Bewegung das Gehirn trainiert

Bei jüngeren Kindern sind die Entwicklung der motorischen und der kognitiven Fähigkeiten eng miteinander verknüpft. Wenn dein Kind lernt, einen Ball zu fangen, trainiert es nicht nur Hand-Augen-Koordination, sondern auch Aufmerksamkeit, Reaktionszeit und die Fähigkeit, störende Reize auszublenden.

Diese Verbindung macht sich besonders in der kritischen Phase zwischen 9 und 13 Jahren bemerkbar. In diesem Zeitfenster ist das Gehirn noch formbar genug, um Defizite auszugleichen – aber bereits weit genug entwickelt, um komplexere motorische Fertigkeiten zu erlernen.

Dein Aktionsplan für mehr Erfolg

Die praktische Konsequenz ist ebenso einfach wie effektiv: Sorge dafür, dass dein frühgeborenes Kind viel Bewegung bekommt. Das muss nicht der teure Tennisunterricht sein – auch Fußball im Verein, Turnen, Schwimmen oder sogar wildes Toben im Garten können Wunder bewirken.

Besonders wertvoll sind Aktivitäten, die verschiedene motorische Bereiche ansprechen: Ballspiele für die Hand-Augen-Koordination, Klettern für die Grobmotorik, Basteln oder Musikinstrumente für die Feinmotorik. Je vielseitiger die Bewegungserfahrungen, desto stärker profitiert das Gehirn.

Nie zu spät für einen Neuanfang

Falls dein Kind bereits Schwierigkeiten in der Schule zeigt oder Probleme mit der Aufmerksamkeit hat, ist es nie zu spät anzufangen. Während andere Therapieansätze oft aufwendig und teuer sind, ist Bewegung eine natürliche und freudvolle Art der Förderung.

Die Baseler Forschenden planen bereits eine Folgestudie, um zu beweisen, dass gezieltes motorisches Training tatsächlich kognitive Einschränkungen reduzieren kann. Du musst aber nicht auf diese Ergebnisse warten – du kannst heute anfangen.

Denk daran: Jeder Purzelbaum, jeder gefangene Ball und jede gemeinsame Fahrradtour ist eine Investition in die Zukunft deines Kindes. Sport macht nicht nur stark – er macht auch schlau.

Originalpublikation:

Sebastian Ludyga, Uwe Pühse, Markus Gerber, Manuel Mücke, Sakari Lemola, Andrea Capone Mori, Mark Brotzmann, Peter Weber
Very preterm birth and cognitive control: The mediating roles of motor skills and physical fitness
Developmental Cognitive Neuroscience (2021), Doi: 10.1016/j.dcn.2021.100956

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