
Krebs in der Kletterhalle?
Dicke Luft beim Bouldern – Schadstoffe aus Kletterschuhen belasten die Hallenluft
Gummiabrieb in Boulderhallen kann die Atemluft belasten – mit Konzentrationen, die teilweise sogar über denen stark befahrener Straßen liegen. Was Forschende herausgefunden haben – und wie sich die Luft verbessern lässt.
Wer in der Kletterhalle an seine Grenzen geht, tut meist etwas für seine Gesundheit. Doch nun zeigen neue wissenschaftliche Erkenntnisse: Ausgerechnet der Sport selbst könnte die Lunge belasten. Der Grund: Gummiabrieb von Kletterschuhsohlen.
Ein Forschungsteam der Universität Wien und der EPFL Lausanne hat in einer aktuellen Studie die Luftqualität in mehreren Boulderhallen untersucht – und ist auf beunruhigende Werte gestoßen: In der Raumluft fanden sich zahlreiche Chemikalien, die aus dem Abrieb der Kletterschuhsohlen stammen. Teilweise lagen die Konzentrationen so hoch wie an mehrspurigen Straßen in Großstädten. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse im Fachjournal Environmental Science and Technology Air.
Was steckt in der Luft der Kletterhalle?
Die Sohlen von Kletterschuhen bestehen – ähnlich wie Autoreifen – aus besonders widerstandsfähigem Gummi. Damit dieser möglichst robust und langlebig ist, werden ihm spezielle Zusatzstoffe (sogenannte Additive) beigemischt. Einige dieser Stoffe stehen jedoch im Verdacht, gesundheitlich bedenklich zu sein.
Die Forschenden analysierten insgesamt 30 Paar Kletterschuhe und identifizierten 15 verschiedene Additive, darunter auch den Gummistabilisator 6PPD, der mit Umweltproblemen wie dem Fischsterben in Gewässern in Zusammenhang gebracht wird.
Wie gelangen die Stoffe in unsere Lunge?
Beim Klettern nutzt sich die Gummisohle durch Reibung an den Griffen ab – zurück bleibt ein feiner schwarzer Staub. Dieser Abrieb wird beim nächsten Griffkontakt aufgewirbelt und schwebt in der Luft – zusammen mit Magnesiumstaub und Schweißpartikeln. Besonders in voll belegten Hallen entsteht so eine Schadstoffkonzentration, die laut Studienleiter Prof. Thilo Hofmann „zu den höchsten weltweit gemessenen Innenraumwerten“ zählt.
Gemessen wurde mit einem speziellen Partikel-Sammelgerät, das die menschliche Atmung simuliert. So konnten die Forschenden ermitteln, welche Partikel tatsächlich bis in die Lunge vordringen.
Was bedeutet das für die Gesundheit?
Noch ist unklar, wie genau sich die gemessenen Chemikalien auf den Körper auswirken – viele davon sind bislang kaum erforscht. Klar ist jedoch: Schadstoffe wie 6PPD oder andere Additive gehören nicht in die Atemluft, besonders nicht bei Kindern oder empfindlichen Personen. Umweltmediziner raten daher zu Vorsichtsmaßnahmen – auch ohne vollständige Risikobewertung.
Was können Hallenbetreiber und Sportler tun?
Die gute Nachricht: Viele Betreiber*innen der untersuchten Hallen zeigten sich kooperativ und offen für Verbesserungen. Folgende Maßnahmen können helfen:
- Gute Belüftung – am besten mit Luftaustausch-Systemen
- Regelmäßige Reinigung – besonders der Griffe und Böden
- Stoßzeiten vermeiden – je voller die Halle, desto schlechter die Luft
- Schuhe mit weniger Additiven wählen – wenn die Hersteller mitziehen
Langfristig fordern die Forschenden eine Umstellung auf schadstoffärmere Sohlenmaterialien – ähnlich wie bereits in der Reifenindustrie diskutiert.
Luft nach oben beim gesunden Klettern
Wer bouldert, stärkt Muskeln, Koordination und Selbstvertrauen – sollte aber auch auf seine Atemluft achten. Die Forschung hilft dabei, die Hallenluft sauberer zu machen. Und vielleicht sorgt die Erkenntnis ja sogar für einen Innovationsschub bei der Herstellung von Kletterschuhen.
Denn klar ist: Wer sich sportlich auspowert, soll dabei ruhig durchatmen können.
Tipp für alle Kletterfans:
Wechselkleidung mitnehmen, nach dem Klettern duschen und Hände gründlich waschen – das reduziert die Belastung durch feine Partikel auf Haut und Kleidung.