FINLEY, DER HERR DER FISCHE
Die mit dem Hund geht… Wie das Leben mit Hund wirklich abläuft.
Hier schreibt: Birgit Jaklitsch. Als die Juristin mit ihrem Golden Retriever Rüden Finley einen “vollkommen unerziehbaren Hund” hatte, entschloss sie sich, selbst eine Ausbildung zur Hundetrainerin zu machen. Ihren kritischen Blick als Gerichtsreporterin hat sie sich erhalten und gewinnt dadurch immer wieder humorvolle Erkenntnisse auf das Leben mit dem Hund. Birgit Jaklitsch hat eine Kolumne im Magazin Hundewelt und ist Buch-Autorin.
Silvester war, sagen wir mal, ereignisreich. Wir haben einen neuen Nachbarn, den Rüdiger, im ersten Eingang unserer Häuserreihe. Rüdiger lebt in Scheidung und hat vier Kinder mit der Marlies. Die hat das große Einfamilienhaus drei Straßen weiter behalten. Die Kinder dürfen sich täglich neu entscheiden, bei wem sie nächtigen möchten.
Jipiiieee, Silvester waren sie alle bei Papa. Den Auszug ihres Vaters fanden die Vier ziemlich doof und das ließen sie den Rüdiger auch deutlich spüren. Der war nun sehr bemüht, dem Nachwuchs seinen neuen Single-Status schmackhaft zu machen. Offenbar gehörte dazu auch, die Nachbarschaft, samt der Haustiere ultimativ zusammen zu böllern.
In unserer Straße lief die Abschirm-Aktion „Shelter your Haustier“ bereits auf Hochtouren. Man könnte sagen, manche von uns hatten sich im Laufe der Jahre echte McGyver-Skills erarbeitet.
Auch Kois brauchen Schutz vor Böllern
Jochen von gegenüber zum Beispiel, der Biologe, war ein gutes Beispiel dafür. Er hatte sehr viel Geld und Liebe in den Bau seines Gartenteichs investiert. Seine Leidenschaft gehörte den sechs schillernden Koi-Karpfen, die dieses Biotop ihr Zuhause nannten. Es waren, wie er oft genug bekundete, sehr sensible und empfindliche Geschöpfe.
Finley hatte striktes Verbot, den Teich auch nur anzusehen. Natürlich steigerte genau das die Attraktivität des Tümpels. Zum Jahresendfest hatte Jochen für seine Fische gewerkelt. Herabstürzende Raketenhüllen und andere Outfallprodukte, die um Mitternacht in seinen Tümpel platschen würden, könnten bei den empfindlichen Kois einen Herzstillstand verursachen. Das war Jochens Albtraum.
Die Poolabdeckung als Koi-Teich-Schutz
Er hatte ein Konstrukt aus Holzlatten und Plexiglas entworfen, dass den Teich wie eine Poolabdeckung überspannte. Dann fing der Countdown an 10,9,8,7,… das neue Jahr wurde begrüßt mit Kanonendonner, Schwefelgeruch und Raketen. Während wir den Nachbarn zuprosteten, hatte sich Finley wohl unbemerkt durch die offene Haustür gequetscht und war im Nachbargarten verschwunden.
Ich hörte ein leichtes Geraschel und dann ziemlich deutlich Planschgeräusche. Mein Dicker war offenbar der Meinung, dass er es genauso gut und sicher wie Jochens Fische haben wollte. Er hatte sich durch die seitlich angebrachte Teichfolie gearbeitet und stand nun mitten in dem fast hüfthohen Teichwasser unter der McGuyver-Haube und sah sehr zufrieden aus.
Sie umkreisten ihn, wie der weiße Hai
Jochens Kois umkreisten ihn, wie der weiße Hai in besagtem Kinofilm die blonde Surferin, und sie sahen, ich möchte das betonen, überhaupt nicht aufgeregt aus, ganz im Gegenteil zu Jochen. Ich hob mein Glas und prostete ihm ein ekstatisch-freundliches „Prosit Neujahr“, entgegen. Dann warf ich Finley eine Leine über und beendete das Anbaden 2022. Jochen gab nur noch ein kehliges Röcheln von sich.
Finley und ich schlichen zurück in den heimischen Vorgarten. Und während Jochen seinen Fischen noch ein paar Rescue-Tropfen ins Wasser träufelte, betete ich, dass am kommenden Morgen keine Koi-Leichen im Tümpel dümpeln würden…
Lust auf mehr? Dann empfehlen wir “Dickes Fell und langer Atem” – Vom Überleben an der Schleppleine. Die Leserkommentare: “Zum Brüllen komisch”, “Einfach herrlich”, “Habe mich wieder erkannt” und “Wann kommt der nächste Jaklitsch?”. Birgit Jaklitschs Buch erschien im Minerva-Verlag und ist in jedem Buchhandel erhältlich oder direkt im Minervastore. www.Minervastore.de.