Essen + Trinken

Gemeinsam gesund – Oder: Wie ich meine Familie dazu brachte, Brokkoli zu lieben

Von Katharina Wagener

Kennt ihr das? Du kaufst motiviert Vollkornbrot, machst einen wunderschönen Salat, stellst ihn auf den Tisch – und erntest drei fragende Blicke. “Wo sind denn die Nudeln?”, fragt das Kind. “Haben wir nichts Richtiges zu essen?”, seufzt der Partner. Und du denkst: “Warum mache ich mir überhaupt die Mühe?”

Ich sage euch: Gebt nicht auf! Es ist möglich, die ganze Familie für gesunde Ernährung zu begeistern. Nicht mit der Brechstange, nicht mit Vorträgen über Vitamine, sondern mit List, Liebe und ein paar cleveren Tricks. Hier ist meine Anleitung für eine entspannte Revolution am Esstisch.

Das große Missverständnis

Wir machen einen Fehler: Wir denken, gesunde Ernährung für die Familie bedeutet, dass alle plötzlich Quinoa-Salat lieben müssen. Quatsch! Es bedeutet nur, dass wir das, was wir sowieso essen, ein bisschen besser machen. Die Bolognese mit mehr Gemüse, die Pizza mit Vollkornboden, die Pfannkuchen mit Haferflocken.

Der Trick ist nicht, alles zu ändern, sondern das Gewohnte zu verbessern. So merken es die anderen oft gar nicht – und meckern nicht rum.

Strategie 1: Die Geheimagentin in der eigenen Küche

Ich bin eine Meisterin im Verstecken von Gemüse geworden. Nicht, weil ich meine Familie betrügen will, sondern weil ich schlau bin. Wenn das Auge das Gemüse nicht sieht, kann der Kopf auch nicht “bäh” sagen.

Meine Lieblings-Verstecke:

  • Zucchini und Karotten fein geraspelt in die Bolognese – schmeckt süßer und saftiger
  • Blumenkohl püriert unter den Kartoffelbrei – macht ihn cremiger
  • Rote Bete im Schokoladenkuchen – macht ihn saftig und niemand schmeckt es
  • Spinat im grünen Smoothie zusammen mit Banane und Mango – die Süße übertönt alles

Das Schöne: Nach einer Weile gewöhnen sich alle an den Geschmack. Und irgendwann könnt ihr ehrlich sein: “Übrigens, da waren Zucchini drin. Hat euch geschmeckt, oder?”

Strategie 2: Mach sie zu Komplizen

Kinder (und Männer) essen lieber, was sie selbst gemacht haben. Das ist Psychologie pur. Wer beim Kochen geholfen hat, ist stolz auf das Ergebnis und probiert eher.

So funktioniert’s: Die Kleinen dürfen Gemüse waschen, Salat zupfen, Teig rühren. Sie bekommen wichtige Aufgaben: “Du bist heute der Salatmeister!” oder “Ohne dich wird das nichts mit dem Pfannkuchen!”

Und ja, die Küche sieht hinterher aus wie ein Schlachtfeld. Aber dafür haben alle gemeinsam gekocht und werden auch gemeinsam essen – ohne Gemecker.

Für die Größeren: Lasst sie ihre eigenen Varianten erfinden. Pizza-Abend, aber jeder belegt seine eigene. Salat-Bar, aus der sich jeder nimmt, was er mag. Plötzlich sind Paprika und Gurken gar nicht mehr so schlimm.


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Strategie 3: Du musst es einschleichen

Radikale Umstellungen funktionieren in Familien nicht. Das führt nur zu Stress und schlechter Stimmung am Esstisch. Besser: Schritt für Schritt.

Woche 1: Mischt Vollkorn- und normale Nudeln 50:50. Keiner merkt’s. Woche 2: Macht die Portion Gemüse ein bisschen größer, die Fleischportion ein bisschen kleiner. Woche 3: Stellt eine Schale mit geschnittenem Obst als Nachtisch auf den Tisch. Woche 4: Ersetzt ein Weißbrot durch Vollkorn – aber das leckerste, das ihr finden könnt.

Wichtig: Nie alles auf einmal! Sonst gibt’s Aufstand.

Strategie 4: Das Vorbild-Prinzip

Wir können noch so viel predigen – wenn wir selbst heimlich Chips essen, während wir den Kindern Karotten auftischen, sind wir unglaubwürdig.

Kinder schauen nicht auf das, was wir sagen, sondern auf das, was wir tun. Wenn wir mit Genuss Salat essen, werden sie neugierig. Wenn wir das Gesicht verziehen, weil der Brokkoli nicht schmeckt, werden sie ihn auch nicht mögen.

Also: Seid ehrlich begeistert von gutem Essen. Zeigt, wie lecker frisches Obst ist. Macht aus gesunder Ernährung kein Drama, sondern etwas Schönes.

Strategie 5: Kleine Erfolge feiern

“Heute hat Tim eine ganze Karotte gegessen!” – das ist ein Grund zu feiern. Nicht überschwänglich, aber anerkennend. Kinder merken sich, wofür sie gelobt werden.

Auch bei den Großen: “Das Vollkornbrot schmeckt ja richtig gut!” Positive Verstärkung funktioniert bei allen Menschen, nicht nur bei Kindern.

Aber bitte: Macht Essen nicht zur Belohnung. “Wenn du den Salat isst, gibt’s Nachtisch” lehrt nur, dass Salat schlecht und Nachtisch gut ist. Besser: “Heute gibt’s was Leckeres – Salat UND Nachtisch!”

Strategie 6: Die Routine macht’s

Menschen sind Gewohnheitstiere. Was regelmäßig auf den Tisch kommt, wird irgendwann normal. Deshalb:

  • Jeden Sonntag gibt’s Vollkornpfannkuchen zum Frühstück
  • Zu jedem Abendessen gehört ein kleiner Salat
  • Mittwochs ist Gemüsetag – aber jeder darf sein Lieblingsgemüse wählen
  • Freitags gibt’s Pizza – aber mit dünnem Boden und viel Gemüse drauf

Nach ein paar Wochen ist das einfach so. Niemand hinterfragt mehr, warum da Salat steht. Es gehört dazu.

Strategie 7: Lasst euch helfen – von außen

Manchmal hilft es, wenn nicht Mama oder Papa die gesunde Ernährung “erfinden”, sondern jemand anderes. Kochbücher für Kinder, in denen lustige Rezepte stehen. Youtube-Videos, in denen andere Familien kochen. Der Besuch bei Oma, die auch viel Gemüse isst.

Plötzlich ist gesunde Ernährung nicht mehr “Mamas komische Idee”, sondern etwas, was alle machen.

Was wenn trotzdem nichts klappt?

Dann atmet tief durch. Familien sind kompliziert, und Essen ist emotional. Nicht alle Strategien funktionieren bei allen Menschen. Manche brauchen länger, manche sind stur, manche haben echte Abneigungen.

Das ist okay. Ihr seid nicht gescheitert, wenn euer Teenager weiterhin nur Nudeln mit Ketchup isst. Ihr habt es versucht, ihr bleibt entspannt, und irgendwann – vielleicht erst, wenn er auszieht – wird er sich daran erinnern, dass Gemüse gar nicht so schlimm war.

Der wichtigste Tipp zum Schluss

Macht aus dem Essen keinen Kampfplatz. Nicht jede Mahlzeit muss perfekt sein. Nicht jeden Tag muss Gemüse auf dem Teller liegen. Manchmal darf es auch einfach Nudeln mit Butter geben, weil alle müde sind und keine Lust auf Diskussionen haben.

Eine entspannte Familie, die manchmal ungesund isst, ist gesünder als eine gestresste Familie, die sich jeden Tag ums Essen streitet.

Das Ziel ist nicht Perfektion. Das Ziel ist, dass alle gerne am Tisch sitzen, gemeinsam essen und dabei auch mal was Gesundes probieren. Ohne Stress, ohne schlechtes Gewissen, mit viel Geduld und noch mehr Liebe.

Und wisst ihr was? Meistens klappt es dann von ganz allein.


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