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Geburt & Psyche



Wie ein Medikament Mütter nach dem Kaiserschnitt vor der Depression schützen könnte


Ein Kind zur Welt zu bringen, verändert alles. Den Körper. Das Leben. Die Seele. Doch während sich alle auf das kleine neue Wesen konzentrieren, gerät die Mutter oft aus dem Blick. Besonders dann, wenn die Geburt per Kaiserschnitt erfolgt ist. Viele Frauen fühlen sich danach wie betäubt, ausgeliefert, leer. Statt Glücksgefühlen kommt Erschöpfung, Traurigkeit, manchmal tiefe Verzweiflung.

Fast jede fünfte Mutter in Deutschland entwickelt eine Wochenbettdepression, bei Kaiserschnittgeburten ist das Risiko sogar erhöht. Die Ursachen sind vielfältig: hormonelle Schwankungen, körperliche Überforderung, das Gefühl, „versagt“ zu haben. Und genau hier setzt eine neue medizinische Spur an – mit einem Wirkstoff, der bislang vor allem aus der Psychiatrie bekannt war: Esketamin.

Ein Wirkstoff direkt nach der Geburt?

In einer aktuellen Studie der renommierten Chongqing Medical University wurden 308 Frauen untersucht, die per geplantem Kaiserschnitt entbunden hatten. Noch im OP-Saal erhielten sie entweder eine Infusion mit Esketamin oder ein Placebo – ohne zu wissen, was davon.

Das Ziel war einfach, aber groß: herausfinden, ob eine einzige Dosis des Medikaments depressive Verstimmungen nach der Geburt verhindern kann. Das Ergebnis: überraschend deutlich. Mit nur einer einmaligen Esketamin-Dosis konnte das Risiko an Wochenbettdepressionen nahezu halbiert werden.

Was ist eigentlich Esketamin?

Esketamin ist eine Variante des bekannten Narkosemittels Ketamin, das in niedriger Dosierung seit einigen Jahren als Hoffnungsträger bei therapieresistenten Depressionen gilt. Es wirkt schnell, greift andere Gehirn-Botenstoffe an als klassische Antidepressiva und kann innerhalb von Stunden Erleichterung verschaffen. Manchmal genügt schon ein kleiner chemischer Impuls, damit die Seele wieder atmen kann.

Gut verträglich – aber nicht ohne Nebenwirkungen

Wie jedes Medikament hat auch Esketamin eine Kehrseite. Manche Frauen berichteten nach der Infusion über: Schwindel (18 %), traumähnliche Erlebnisse (10 %), Trance oder Halluzinationen (bis 6 %). Doch die Effekte waren nur kurzzeitig und schwerwiegende Komplikationen blieben aus. Für viele war das Gefühl ungewohnt, aber nicht beängstigend. Und wenn es hilft, den Abgrund zu vermeiden? Vielleicht ein fairer Preis.


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Ein Blick in die Zukunft: Mehr Schutz für Mütter?

Noch ist Esketamin kein Standard in der Geburtshilfe. Aber die Studie wirft wichtige Fragen auf: Wie können wir Mütter besser schützen, nicht nur körperlich, sondern auch emotional? Und warum wird seelisches Wohlbefinden nach der Geburt oft als „Bonus“ betrachtet und nicht als notwendiger Bestandteil der Nachsorge? Vielleicht braucht es genau solche Impulse, um neu zu denken.

Es geht nicht nur ums Kind, sondern auch um dich

Die Zeit nach der Geburt ist sensibel, verletzlich, voller innerer Brüche und Veränderungen. Esketamin mag kein Wundermittel sein. Aber es erinnert uns an etwas Wesentliches: Dass Mütter Fürsorge verdienen, nicht nur medizinisch – sondern auch menschlich.

Wenn die Seele leidet – diese Schritte helfen:

  • Sei ehrlich zu dir selbst: Wenn du dich leer, überfordert oder hoffnungslos fühlst – sprich es aus.
  • Hol dir Unterstützung: Ob Partner, Freundin, Hebamme oder Ärztin – du musst das nicht allein tragen.
  • Vertraue deinem Gefühl: Nicht jede Träne ist „normal“. Wenn sie nicht mehr aufhört, brauchst du Hilfe – und bekommst sie auch.

Der Kommentar von Jonas, unserem Experten für Medizin und Neurobiologie:

Mama ist nicht nur müde, sondern manchmal krank – und das ist okay!

Ich bin ja großer Fan davon, wenn Medizin mal nicht nur Symptome bekämpft, sondern Ursachen – und noch besser: vorbeugt. In dieser Studie aus China passiert genau das. Mit einem Mittel, das man bisher eher aus der Anästhesie oder der Psychiatrie kennt, hilft man Frauen, gar nicht erst in die Tiefen einer Wochenbettdepression abzurutschen. Genial einfach – und einfach genial.

Denn machen wir uns nichts vor: Muttersein wird in unserer Gesellschaft immer noch als Dauerlächeln im Pastell-Strampler verkauft. Dabei ist die Realität oft ganz anders. Schlafentzug, Hormonabsturz, Schmerzen – und dann soll man auch noch glücklich sein? Ich kenne keine andere Situation im Leben, bei der so viele Erwartungen auf einen einstürzen, während einem wortwörtlich der Beckenboden weggezogen wurde.

Warum das so wichtig ist

Postpartale Depression ist kein “schlechter Tag”, sondern eine ernstzunehmende Krankheit. Und wenn man sie durch eine kleine Infusion verhindern kann – warum nicht? Natürlich müssen wir weiter hinschauen: Wie wirkt Esketamin langfristig? Ist es für alle Frauen geeignet? Aber die Richtung stimmt: Wir nehmen die seelische Gesundheit von Müttern endlich ernst. Und ganz ehrlich: Würden Väter nach dem Kaiserschnitt zu 20 Prozent depressiv werden – wir hätten schon längst einen Esketamin-Spender auf jeder Wochenstation.

Mut machen und helfen

Ich wünsche mir, dass wir uns als Gesellschaft trauen, offener über das „dunkle Wochenbett“ zu sprechen. Dass wir aufhören, von „Baby-Blues“ zu verniedlichen, was oft tiefe seelische Krisen sind. Und dass wir – ganz gleich ob mit Esketamin, Therapie oder einfach einer helfenden Hand – allen Müttern sagen: Du musst nicht perfekt sein. Du darfst Hilfe annehmen. Und es ist nicht nur okay, sondern wichtig, auf dich selbst zu achten.

Denn wie heißt es so schön in der Flugzeug-Sicherheitsanweisung? „Setzen Sie sich zuerst selbst die Sauerstoffmaske auf.“ Dann kann man auch für andere da sein – besonders fürs eigene Kind.

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