Mindful Moments

Emotional Detox

Wie wir den Kopf freibekommen und endlich wieder atmen

Hier schreibt die Ute. Über 50, mit mehr Lebenserfahrung als Faltencremes im Badezimmerschrank. Liebt Bücher, guten Rotwein und Gespräche, die auch mal wehtun dürfen. Sie hält nichts von Schönheitswahn und Fitness-Apps, aber viel von ehrlichen Worten und warmem Apfelkuchen. Mit Sahne. Und jeden Dienstag schenkt sie uns ihre Gedanken.

Neulich stand ich vor meinem Bücherregal und fragte mich: Warum um Himmels willen halte ich an diesem kitschigen Liebesroman aus den 80ern fest? Ich habe ihn seit Jahrzehnten nicht mehr angerührt, er staubt vor sich hin, und trotzdem kann ich mich nicht trennen. Warum? Weil wir Menschen nicht loslassen können. Nicht die alten Bücher, nicht die ausgeleierten Pullover, nicht die falschen Freunde — und erst recht nicht die alten Gedanken.

Wir sammeln Erinnerungen und Sorgen wie andere Leute Briefmarken. Nur, dass unsere Sammlung keinen Wert hat, sondern uns den Schlaf raubt.

Gedanken wie ein alter Dachboden

Unsere Köpfe sind wie Dachböden. Vollgestellt mit Kisten, von denen wir oft nicht mal mehr wissen, was drin ist. Alte Kränkungen, unerledigte To-do-Listen, heimliche Ängste — alles liegt dort herum. Wir stolpern immer wieder drüber, tun so, als wäre nichts, und fragen uns dann, warum wir nachts wachliegen und grübeln, statt endlich mal durchzuschlafen.


Weitere Themen:

„Emotional Detox“ nennt sich das moderne Zauberwort. Klingt ein bisschen nach Wellnesshotel mit Gurkenwasser und Klangschalen. Aber eigentlich bedeutet es: Endlich mal den Kopf entrümpeln. Weg mit dem seelischen Sperrmüll!

Die große Gedankeninventur

Der erste Schritt? Aufschreiben, was uns wirklich belastet. Alte Vorwürfe, peinliche Momente, Ängste vorm Älterwerden — alles auf Papier. Klingt simpel, aber wehe, man setzt sich mal wirklich hin! Plötzlich steht da: „Ich habe Angst, allein zu sein.“ Oder: „Ich kann nicht loslassen, weil ich dann nicht mehr gebraucht werde.“ Autsch.

Aber genau da müssen wir durch. Denn solange wir das alles in uns rumschleppen, blockieren wir Platz für Schönes.

Gefühle raus, statt sie zu konservieren

Wir sind Weltmeister im Runterschlucken. Die Deutschen sagen immer: „Ach, halb so schlimm.“ Nein! Lass es raus! Schrei, wein, tanze wild durch die Küche — egal. Hauptsache, es bleibt nicht wie ein schlecht gealterter Rotwein in dir liegen. Studien zeigen übrigens: Wer Gefühle ausdrückt, schläft besser und hat ein stärkeres Immunsystem. Und, mal ehrlich: Wer gut schläft, sieht auch besser aus.

Kleine Rituale statt großer Selbstoptimierungswahn

Es geht nicht darum, morgen als neuer Mensch aufzuwachen. Ich halte sowieso nichts von diesen radikalen Neuanfängen à la „Ich bin jetzt eine ganz andere Person“. Nein, bist du nicht. Du bist immer noch du, mit ein paar weniger Steinen im Rucksack vielleicht.

Was hilft, sind kleine Rituale:

  • Jeden Abend ein kurzes Gedankentagebuch.
  • Eine Schublade ausmisten.
  • Einen Spaziergang ohne Handy.
  • Ein altes Drama aufschreiben und dann feierlich verbrennen (natürlich im sicheren Rahmen, bitte keine Feuerwehr rufen!).

Leichtigkeit wieder einladen

Wenn wir aufhören, uns an all den alten Krempel zu klammern, kommt etwas Wunderbares zurück: Leichtigkeit. Vielleicht sogar wieder ein lautes Lachen, das nicht verklemmt klingt. Vielleicht wieder Platz für ein spontanes Glas Wein mit einer Freundin. Oder für ein Buch, das wir wirklich lesen wollen, statt das verstaubte Pflichtprogramm. Loslassen ist kein Verlust, sondern ein Gewinn. Der Gewinn an Freiheit, an Klarheit, an Lebensfreude.

Manchmal frage ich mich: Wie viel schöner wäre das Leben, wenn wir unsere Gedanken behandeln würden wie unseren Kleiderschrank? Einmal im Jahr gnadenlos aussortieren, was nicht mehr passt, was zwickt, was uns alt aussehen lässt.

Und dann, mit einer Tasse Kaffee in der Hand, aufs Sofa setzen, tief durchatmen — und endlich wieder Platz haben. Für Neues. Für Leichtes. Für das Leben.

Na, Lust auf ein bisschen seelisches Aufräumen? Ich fang dann mal an. Aber erst, nachdem ich diesen einen kitschigen Liebesroman ein letztes Mal durchgeblättert habe. Man weiß ja nie.

Die Ute vom Dienstag

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