Gesundheit

Doofer, blöder Tag…

Mein Leben mit MS:

Hallo und herzlich willkommen bei MS-Voices! Ich bin Irene, und hier dreht sich alles um das Leben mit Multipler Sklerose (MS). Als ich vor einigen Jahren die Diagnose erhielt, hat sich mein Alltag auf den Kopf gestellt – und ich war plötzlich mit unzähligen Fragen, Ängsten und Herausforderungen konfrontiert. In diesem Blog möchte ich meine persönlichen Erfahrungen mit euch teilen und Menschen eine Stimme geben, die unter MS leiden. Wie ist das wirklich, mit MS zu leben? Wie verändert es den Alltag, die Beziehungen und die Zukunftsplanung? Hier gibt es ehrliche Einblicke, praktische Tipps und die ein oder andere Anekdote aus meinem Leben – direkt aus dem Herzen einer Betroffenen.

Es ist Samstag, 10:19 Uhr, und ich weiß jetzt schon, dass es ein doofer, blöder Tag wird, an dem ich mir selbst im Weg stehen werde.

Wie ich das jetzt schon sagen kann? Weil ich mich kenne! Meine Nacht war wieder extrem unruhig, und meine Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Normalerweise hilft es mir, wenn ich an einen besonders schönen Moment zurückdenke, der weit in der Vergangenheit liegt. Dann schaffe ich es meist, in die Ruhe zu finden. 

Ein besonderer Moment auf dem Deich in Büsum

Bei mir ist das der Moment, an dem ich, zusammen mit meinem Papa, in Büsum auf dem Deich stehe. Es ist der Vorabend einer Sturmflut, was wir nicht wissen. Der Wind tobt um uns herum in einer Stärke, dass es uns fast wegweht. Wir halten uns an den Händen und lehnen uns gegen den Wind. Wir sehen uns an, lachen und lachen, obwohl wir beide Ehrfurcht haben, vor der Macht der Natur. Wir geben uns dieser Macht eine Weile hin, bis wir beide genug haben. Oder mein Papa beschließt, dass ein weiteres Verweilen auf dem Deich zu gefährlich ist. Ich weiß es nicht mehr. Ich muss 13 oder 14 Jahre alt gewesen sein. Das ist mein ganz besonderer Moment. 

Aber selbst der hat mir in der vergangenen Nacht nicht geholfen. Ich habe mich im Bett gewälzt; bin einmal beinahe raus gefallen und zu allem Überfluss habe ich auch noch schlecht geträumt. 

Angstträume und ihre möglichen Bedeutungen

Ich weiß nicht mehr, was es war. Ich weiß nur, dass ich in einem leeren Raum mit einer weißen Milchglas-Schiebe-Verbindungstür auf dem Boden gesessen habe. Angelehnt an eine Wand. Es war stockfinster und totenstill. Polly hat mit ihren Vorderbeinen und dem Gewicht ihres halben Körpers auf meinem Schoß gelegen und ihr Fell war gesträubt. Sie hat geknurrt und ich weiß nur noch, dass ich in diesem Traum eine furchtbare Angst hatte. Ich weiß nicht, wovor. Ich wollte schreien und weglaufen, aber konnte es nicht.
Da bin ich dann aufgewacht. Aufgewühlt und klatschnass geschwitzt. Ich bin keine Traumdeuterin. Ich weiß nur, dass die Seele im Traum arbeitet und der Hund für einen Freund oder Partner steht. Vielleicht ist es aber auch ein Schutz der Seele, dass man sich an gewisse Träume nicht mehr erinnern kann. Zumindest nicht komplett.

MS-Herausforderungen am Morgen: Das Bein versagt

Naja. Und als ich dann aufstehen wollte, ist mir mein rechtes Bein zusammengesackt und ich saß mit meinem Hintern auf dem Boden. Immerhin gut gepolstert. Nein, nicht der Boden, sondern mein Allerwertester. Ich bin aufgestanden und dann erstmal in die Küche geschlichen, um mir einen Kaffee zu machen. Ich dachte mir: „Lass dich nicht hängen! Auf! Attacke! Du hast noch was zu tun heute!“, und habe dann, mit Ach und Krach, das Bett frisch bezogen, das Bad geputzt und den Staubsauger durch die Bude geschubst. Ich muss dazu sagen, dass mein Pflegedienst für die Grundsauberkeit in meiner Wohnung sorgt. Ich selbst habe mittlerweile Schwierigkeiten Putzlappen auszuwringen und durch meine Habseitenlähmung (Hemiparese), komme ich mit meinem rechten Arm nicht mehr überall dran und mir fehlt auch Kraft, um Druck auf Schrubber & Co. Auszuüben. Aber im Bad Waschbecken, Waschbeckenablage, Toilette saubermachen sowie das Sauberwischen von allem, was man so im Bad rumstehen hat, das schaffe ich. Und das lasse ich mir auch nicht nehmen, da ich mir soviel wie möglich Fähigkeiten erhalten will.

Versuche, die Stimmung zu heben: Ein belebendes Duscherlebnis?

Da meine Laune bis zu dem Zeitpunkt immer noch nicht gestiegen war, habe ich mir dann eine ausgiebige Dusche mit meinem Lieblings(Luxus)Duschschaum gegönnt. Wenn ich der Produktbeschreibung Glauben schenken darf, dann würde ich ein belebendes Duscherlebnis mit der stimmungshebenden (!) Kombination aus frischen Zitrus- und aromatischen Holznoten genießen. Und dieser Schaum mit Süßorange und Zedernholz würde meine Dusche zu etwas Besonderem machen. Naja. Es war eine Dusche mit einem, zugegebenermaßen, wirklich tollen Duft. Aber stimmungshebend? Da warte ich jetzt noch drauf.

Das Leben muss weitergehen: Eine Aufgabe nach der anderen

Von Freddy Mercury habe ich gelernt „The Show must go on!“, und so habe ich dann jetzt eine von zwei Maschinen Wäsche für heute laufen. Und während der Wartezeit verfasse ich diesen Eintrag. Normalerweise hebt sich meine Stimmung immer beim Schreiben. Aber heute? Ist scheinbar der Wurm drin.

Resignierte Gedanken: Ein Tag, der einfach vorbeigehen muss

Ich weiß jetzt schon, egal, was ich heute anfassen werde; ob Ausmalen, Lesen, Musik hören oder ob ich irgendwas aus der Konserve von Netflix, prime Video oder Disney plus ansehe – es wird alles an mir vorbei rauschen.

Also gucke ich jetzt erstmal Löcher in den mittlerweile blauen Himmel, hänge meinen Gedanken nach, trinke nochmal einen Kaffee (ich frage mal meinen Kaffeevollautomaten, was er mir heute zaubern kann) und warte, dass dieser Tag an mir vorüber geht. Zum Glück ist morgen ein neuer Tag…

Was machst du, wenn du morgens schon weißt, dass der Tag blöd anfängt?

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, diesen Beitrag zu lesen! Ich hoffe, dass meine Erfahrungen dir ein Stück Klarheit oder Ermutigung schenken konnten. Als ich die Diagnose MS bekam, fühlte ich mich oft allein und überfordert. Genau deshalb habe ich ein Buch geschrieben, das ich selbst damals so dringend gebraucht hätte. „Spring, damit du fliegen kannst.: Ein Selbsthilfe-Ratgeber für MS-Erkrankte und ihre Angehörigen.“ Es ist bei Minerva-Vision erschienen. Wenn du Interesse hast, schau es dir gerne an – vielleicht ist es genau das, was auch dir weiterhelfen kann. Oder hör dir meinen Podcast „MS-Voices“ an. Bis zum nächsten Mal!

Du hast auch MS und möchtest mit mir in meinem Podcast darüber sprechen? Dann schreib mir eine Mail an: redaktion@minerva-vision.de.


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