Diagnose MS: Ein Neuanfang
Die Diagnose Multiple Sklerose (MS) trifft viele Menschen unerwartet und stellt sie vor große Herausforderungen. Irene Teubner, selbst Betroffene, spricht im Interview über ihre ersten Symptome, den Weg zur Diagnose und den Umgang mit den Ängsten und Unsicherheiten, die die Krankheit mit sich bringt. Sie erzählt von den Höhen und Tiefen ihres Weges, gibt wertvolle Tipps für Betroffene und zeigt, wie wichtig Aufklärung und Unterstützung sind.
Es ist der Moment, in dem alles beginnt: der Zeitpunkt der Diagnose. Irene, wie begann deine MS?
Irene Teubner: Das war eine merkwürdige Kiste. Mein erster Schub, von dem ich noch gar nicht wusste, dass es einer ist, entwickelte sich innerhalb eines Wochenendes. Freitags auf dem Weg zur Arbeit fühlte sich mein rechtes Bein an, als würde es in Sand laufen. Ich dachte zunächst, es lag an einer Erkältung oder der Grippeimpfung. Später fiel mir auf, dass ich plötzlich meine eigene Schrift nicht mehr lesen konnte. Zuhause bin ich dann mit einem Korb Wäsche die Treppe hinuntergefallen, weil mein Bein einfach nachgab. Nachts musste ich oft zur Toilette und musste mich an den Wänden entlangtasten, um nicht umzukippen.
Das klingt schon nach deutlichen Signalen, aber man redet sich sowas oft gut, oder?
Irene Teubner: Genau. Ich dachte, ich hätte einfach zu viel Kaffee getrunken. Selbst als mir Spekulatius aus der rechten Hand fielen und in der Teetasse landeten, habe ich es nicht ernst genommen. Mein Ex-Mann fand das lustig, aber ich begann zu ahnen, dass etwas nicht stimmte.
Und du hast dann nach Symptomen gegoogelt?
Irene Teubner: Ja, da tauchte schon das Wort „Multiple Sklerose“ auf. Aber auch Borreliose, was ich als wahrscheinlicher empfand, da wir Hunde hatten. Trotzdem bin ich am Montag zum Arzt gegangen.
Zum Glück. Und was passierte dann?
Irene Teubner: Mein Arzt hatte sofort den richtigen Riecher. Nach meinen Gleichgewichtsproblemen schickte er mich direkt ins Krankenhaus. Dort begann man mit Ausschlussuntersuchungen: Bluttests, CT, und später eine Lumbalpunktion. Am Montag darauf zeigte das MRT mehrere Herde im zentralen Nervensystem – die Diagnose MS war klar.
Wusstest du damals, was MS bedeutet?
Irene Teubner: Nicht wirklich. Ich wusste nur, dass es nicht zwingend tödlich ist und nicht immer im Rollstuhl endet. Viel mehr hat man mir anfangs auch nicht erklärt.
Was hättest du dir in dieser Situation gewünscht?
Irene Teubner: Mehr Aufklärung. Später kamen MS-Schwestern, die mir vieles erklärten und mir die größte Angst nahmen. Aber am Anfang war es schwer, alleine mit den Informationen aus dem Internet zurechtzukommen.
MS ist ja die Krankheit der tausend Gesichter, oder?
Irene Teubner: Genau. Viele Symptome sind unsichtbar, wie ständiges Kribbeln oder Fatigue. Ich hätte mir gewünscht, dass MS mehr in der Öffentlichkeit thematisiert wird, wie z.B. bei der Darmkrebsvorsorge. Es gibt Spots, die einmal im Jahr zum Welt-MS-Tag laufen, aber das reicht nicht. Die Krankheit sollte stärker präsent sein, um mehr Verständnis zu schaffen.
Und genau deswegen führen wir dieses Interview. Wir wollen aufklären und zeigen, dass man mit MS nicht allein ist.
Irene Teubner: Genau. Und es ist wichtig, über die verschiedenen Verlaufsformen und Symptome aufzuklären. Viele Menschen wissen nicht, dass MS nicht immer sichtbar ist und es Betroffene gibt, die an unsichtbaren Einschränkungen leiden.
Was denkst du, sollte in der Betreuung von MS-Betroffenen besser werden?
Irene Teubner: Ich würde mir mehr spezialisierte Anlaufstellen wünschen, die nicht nur medizinisch, sondern auch emotional unterstützen. Gerade am Anfang ist man überfordert und braucht jemanden, der einem Sicherheit gibt. MS-Schwestern leisten da wertvolle Arbeit, aber sie könnten noch viel mehr unterstützen, wenn sie flächendeckender eingesetzt würden.
Gab es Momente, die dir besonders geholfen haben, mit der Diagnose umzugehen?
Irene Teubner: Ja, tatsächlich. Gespräche mit anderen Betroffenen waren unglaublich wichtig. Zu hören, dass man nicht allein ist und dass andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben, hat mir Mut gegeben. Außerdem hat mir Bewegung geholfen – ich habe mit leichter Krankengymnastik begonnen, um mein Körpergefühl zurückzubekommen.
Ein sehr wertvoller Tipp. Gibt es auch Dinge, die du heute anders machen würdest?
Irene Teubner: Ich würde früher Hilfe annehmen. Am Anfang wollte ich alles alleine schaffen, aber Unterstützung von Fachleuten und Freunden macht einen großen Unterschied. Und ich würde weniger googeln – das hat mich manchmal mehr beunruhigt als geholfen.
Ein wichtiger Hinweis! Was möchtest du unseren Hörerinnen und Hörern noch mit auf den Weg geben?
Irene Teubner: MS ist nicht das Ende, sondern ein Neuanfang. Es braucht Zeit, die Diagnose zu akzeptieren, aber mit der richtigen Einstellung und Unterstützung kann man ein erfülltes Leben führen. Und vergesst nicht: Ihr seid nicht allein. Sucht den Austausch, informiert euch und bleibt aktiv – das ist das Wichtigste.