
Der Toaster lügt – Eine Betrachtung über Hoffnung und verkohltes Frühstück
Die Alltagsphilosophie-Kolumne exklusiv bei Minerva VISION:
Denken hilft auch nicht – Alltagsbeobachtungen mit Tiefgang
Du kennst ihn. Diesen Moment zwischen Hoffnung und Rauch. Der Toaster sagt: „Stufe 3 ist mild.“ Du glaubst es. Du vertraust. Und bekommst einen Brandfleck mit Kruste.
Aber du versuchst es wieder. Jeden Tag. Mit stoischer Naivität. Vielleicht, weil du weißt: Irgendwann wird es klappen. Rein statistisch. Oder göttlich.
Der Toaster ist ein geradliniges Gerät. Zwei Schlitze, ein Hebel, ein Rad mit Zahlen. Einfach, oder? Glaubt man. Aber hinter dieser vermeintlichen Schlichtheit verbirgt sich eines der listigsten Wesen des Haushalts – direkt hinter der Waschmaschine, die Socken verschwinden lässt, und dem Thermostat, das nie wirklich regelt.
Der Toaster hat nämlich nur eine Aufgabe: Brot braun machen. Nicht verbrennen, nicht antrocknen, nicht „zu warm zum Anfassen, aber zu hell zum Essen“. Einfach: braun machen. Und jedes Mal denkst du: Heute wird es klappen. Du drehst den Regler auf 3. Oder 4. Oder 2,5 mit einem leichten Zucken. Und wartest.
Dann macht es klack. Und du schaust. Und das Toast ist… grau. Nicht golden. Nicht knusprig. Sondern in einem Zustand, den man nur mit „emotional unsicher“ beschreiben kann. Also schiebst du es nochmal rein. Ein bisschen nur. Ganz kurz. Nur nachbräunen, denkst du. Ein Hauch von Röstaroma. Und der Toaster nickt. Heimlich. Und startet die Sabotage.
Zehn Sekunden später: Rauch. Panik. Und ein Stück Kohle mit Brotkonturen. Du versuchst zu kratzen, zu retten, zu pusten. Am Ende isst du es trotzdem. Weil du ein erwachsener Mensch bist. Und weil verbranntes Toast die moderne Form von Demut ist.
Und du wirst es morgen wieder tun. Und übermorgen. Und jeden verdammten Tag. Weil der Toaster – bei all seiner Bosheit – dir auch etwas gibt. Hoffnung. Struktur. Ein Ziel vor dem ersten Kaffee. Und manchmal… ganz selten… klappt es. Ein perfektes Toast.
Und die Lehre?
Wer dem Toaster glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann. Aber beide geben dir morgens einen Grund, überhaupt aufzustehen.

Unser Kolumnist: Karl von Nebenan
Beruf: Irgendwas mit Verwaltung, aber keiner weiß, was er genau verwaltet, Kolumnist | Wohnt: Im Erdgeschoss – seit 1983 | Besonderheiten: Besitzt sieben verschiedene Thermoskannen | Hält Schweigen für eine Form von Respekt – oder Überlegenheit