
Der Supermarktgang – Eine Reise durch Schuld, Versuchung und die falsche Kasse
Die Alltagsphilosophie-Kolumne exklusiv bei Minerva VISION:
Denken hilft auch nicht – Alltagsbeobachtungen mit Tiefgang
Du wolltest nur Milch. Jetzt schleppst du Kalorien, Plastikkram und eine Identitätskrise im Sonderangebot. Die Kasse? Natürlich falsch. Das Kassenband? Ein Förderband in den Wahnsinn. Und du? Du lächelst. Weil du’s wieder getan hast.
Der Supermarkt ist nicht einfach ein Ort. Er ist ein psychologisches Experiment mit Einkaufswagen. Alles ist darauf ausgelegt, dich zu testen. Das Gemüse steht vorne. Damit du dich kurz moralisch überlegen fühlst. Frisch. Rein. Und dann – zwei Meter weiter – die Schokoriegel. Als Erinnerung: Du bist schwach. Aber wir verzeihen dir. Für 1,49 €.
Du gehst rein mit einem klaren Plan: Milch. Vielleicht noch Brot. Ganz vielleicht. Du kommst raus mit Lavendelduftkissen, Grillzange, Couscous in Tüten, obwohl du gar nicht weißt, wie man das isst. Und einem Aktions-Smoothie, der nach Bodenreinigung schmeckt, aber „Detox“ heißt.
Du nimmst die kürzeste Kasse. Immer. Es dauert am längsten. Vor dir jemand mit Kleingeld. Dahinter jemand mit einem Sammelheft für Pfannen. Du hast schon zweimal den Wocheneinkauf bereut, bevor du überhaupt bezahlen darfst.
Aber du kommst wieder. Jede Woche. Weil der Supermarkt mehr ist als ein Ort. Er ist ein Ritual. Ein soziales Theaterstück mit Einkaufswagen als Requisiten. Und irgendwie auch ein Beichtstuhl mit Fließband.
Und die Lehre?
Der Supermarkt zeigt dir, wer du wirklich bist: ein rationales Wesen mit Einkaufszettel – und einem Aktions-Salzkaramellriegel in der Jackentasche. Schuld schmeckt manchmal ganz okay.

Unser Kolumnist: Karl von Nebenan
Beruf: Irgendwas mit Verwaltung, aber keiner weiß, was er genau verwaltet, Kolumnist | Wohnt: Im Erdgeschoss – seit 1983 | Besonderheiten: Besitzt sieben verschiedene Thermoskannen | Hält Schweigen für eine Form von Respekt – oder Überlegenheit