
Die Zunge – Spiegel der Gesundheit?
Was sie über unseren Körper verrät – und wie individuell sie wirklich ist
Die Zunge hilft uns beim Sprechen, Schmecken und Schlucken, doch sie kann noch viel mehr. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist sie seit Jahrtausenden ein zentrales Diagnoseinstrument. Und eine Studie der Universität Edinburgh zeigt: Jede Zunge ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Doch was ist dran an der Zungen-Diagnostik und worauf sollte man achten?
Zungenabdruck statt Fingerabdruck?
Ein Forschungsteam der Universität Edinburgh untersuchte die Oberflächenstruktur von über 400 Zungen mithilfe moderner Bildgebungstechnologien. Das Ergebnis: Die Kombination aus Form, Furchen, Erhebungen und Farbe ist bei jedem Menschen unterschiedlich und bleibt im Laufe des Lebens relativ stabil.
Diese Individualität könnte in Zukunft sogar zur sicheren Identifikation von Personen genutzt werden, ähnlich wie Fingerabdrücke oder Iris-Scans.
Was die Zunge über die Gesundheit verrät
In der Schulmedizin wird die Zunge vor allem bei der Untersuchung des Verdauungssystems, bei Infekten oder Mangelzuständen angeschaut. In der TCM geht man einen Schritt weiter:
Dort wird die Zunge als „Landkarte des Körpers“ gesehen, mit verschiedenen Bereichen, die Organen zugeordnet sind:
- Zungenspitze: Herz und Lunge
- Zungenmitte: Magen und Milz
- Zungengrund: Nieren, Darm und Blase
- Zungenränder: Leber und Gallenblase
Doch was sagen Farbe, Form und Belag wirklich aus?
Farbe, Form, Belag: Wichtige Merkmale
Zungenfarbe:
- Zartrosa: gilt als normal
- Blass: kann auf Blutarmut oder Energiemangel hindeuten
- Rot: wird häufig mit Entzündungen (Scharlach) oder Fieber in Verbindung gebracht.
- Blau-violett: kann auf eine Stagnation oder Durchblutungsstörung hinweisen. Hier funktioniert die Sauerstoffversorgung nicht gut, vielleicht ist die Lunge angegriffen. Hier ist ein Gang zum Arzt empfehlenswert.
Zungenbelag:
- Dünn und weiß: physiologisch unauffällig
- Dicht, gelblich oder bräunlich: Hinweis auf Stoffwechselstörung, Pilze oder Verdauungsprobleme
- Fehlender Belag: Flüssigkeitsmangel im TCM-Sinne
Form und Feuchtigkeit:
- Zunge mit Zahnabdrücken an den Rändern: wird oft mit Milz-Qi-Schwäche assoziiert
- Trockene Zunge: Hinweis auf Flüssigkeitsmangel oder Fieber
- Geschwollene Zunge: kann mit Stoffwechselstörungen oder Allergien einhergehen
Schulmedizinisch oder traditionell: was ist dran?
Auch in der westlichen Medizin wird die Zunge bei bestimmten Erkrankungen genau betrachtet. Zum Beispiel:
- Brennende Zunge: kann auf Vitamin-B12-Mangel oder Diabetes hindeuten
- Weiße Beläge: häufig bei Pilzinfektionen (z. B. Soor)
- Dicke gelbe Beläge: etwa bei bakteriellen Infekten im Mund-Rachenraum
- Furchen oder „Landkartenzunge“: meist harmlos, aber ärztlich abklärungswürdig
Die TCM-Diagnostik ersetzt keine ärztliche Untersuchung, kann aber zusätzliche Hinweise auf innere Ungleichgewichte geben, vor allem im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung.
Wann sollte man die Zunge ärztlich zeigen?
Nicht jede Veränderung ist krankhaft, viele sind vorübergehend, etwa durch Ernährung oder Medikamente. Dennoch gilt:
Ein Gang zum Arzt oder zur Ärztin ist ratsam, wenn:
- die Zunge dauerhaft schmerzt oder brennt
- starke Beläge auftreten, die sich nicht wegputzen lassen
- Farbe, Form oder Beweglichkeit sich deutlich verändern
- offene Stellen, Risse oder Schwellungen bestehen
Die Zunge spricht Bände, wenn man genau hinschaut
Ob in der TCM oder der Schulmedizin: Die Zunge ist ein faszinierendes Organ, das nicht nur beim Geschmack eine Rolle spielt, sondern auch wichtige Hinweise auf unsere Gesundheit geben kann. Wer regelmäßig in den Spiegel schaut, erkennt Veränderungen früh und kann sie gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt einordnen.