Will ich mein altes Leben wieder zurück?
Mein Leben mit MS:
Hallo und herzlich willkommen bei MS-Voices! Ich bin Irene, und hier dreht sich alles um das Leben mit Multipler Sklerose (MS). Als ich vor einigen Jahren die Diagnose erhielt, hat sich mein Alltag auf den Kopf gestellt – und ich war plötzlich mit unzähligen Fragen, Ängsten und Herausforderungen konfrontiert. In diesem Blog möchte ich meine persönlichen Erfahrungen mit euch teilen und Menschen eine Stimme geben, die unter MS leiden. Wie ist das wirklich, mit MS zu leben? Wie verändert es den Alltag, die Beziehungen und die Zukunftsplanung? Hier gibt es ehrliche Einblicke, praktische Tipps und die ein oder andere Anekdote aus meinem Leben – direkt aus dem Herzen einer Betroffenen.
Die Frage, die mich nicht loslässt
Seit Tagen treibt mich diese eine Frage um, die ich noch nicht einmal richtig formulieren kann. Ich kann sie nur fühlen, verbunden mit unendlich vielen Gedanken in meinem Kopf. Deswegen schreibe ich das, was ich denke, hier nieder. Erfahrungsgemäß sortieren sich dann meine Gedanken, und ich kann klarer sehen.
Also, hier ist die Frage, die mich beschäftigt und die sich fast schon ein bisschen ketzerisch anhört:
Was wäre, wenn ich wieder gesund wäre?
Wenn ich die Möglichkeit hätte, mit meinen Fingern zu schnipsen: Möchte ich wieder gesund sein und in mein altes Leben zurückkehren? Als ich das bei meiner Kollegin angesprochen habe, meinte sie spontan: „Ja, natürlich!“
Aber ist es das? Ist das so natürlich – für mich?
Klar. Es war schön, einen tollen Job zu haben, der auch noch Spaß gemacht hat. Es war toll, gut zu verdienen und keine finanziellen Sorgen gehabt zu haben. Es war toll, unabhängig zu sein und spontan zu handeln – sowohl im Alltag als auch in meiner Freizeit.
Die Realität nach der MS-Diagnose
Heute ist mit meiner Diagnose alles anders. Jetzt gibt es nur noch die volle Erwerbsminderungsrente und den kleinen Zusatzverdienst aus meinem Minijob. Spontanität, das war mal. Heute sind meine Tage gut durchgeplant und strukturiert. Zusätzliche spontane Termine bringen mich aus dem Takt und bauen Druck auf. Dazu gehört selbst schon der spontane unangekündigte Besuch einer Nachbarin, die einfach nur gerne einen Kaffee mit mir trinken und sich unterhalten möchte. Für mich ist es dann nur problematisch, dass das eine „gestohlene“ Stunde ist und ich zusehen muss, meinen Tagesplan in weniger Zeit umzusetzen.
Klar könnte ich jetzt sagen: „Mach ich morgen.“ Aber dummerweise kann ich mich nicht mehr auf meinen Körper verlassen und weiß einfach nicht, was morgen geht und was nicht.
Die Herausforderungen meines alten Lebens
Mein damaliger Job bei der Tageszeitung, ja, den habe ich wirklich gerne gemacht. Aber der Druck, den eine Tageszeitung mit sich bringt, die Überstunden, die täglichen Fahrten von 100 km, der Kollegenzoff, launische Vorgesetzte – heute frage ich mich, wie ich das geschafft habe. Danach noch Haushalt, Hof, Tiere versorgen und sich um den Ex-Mann kümmern. Dann kamen später ja noch die ganzen Arzttermine beim Neurologen, Physio- und Ergotherapie. Aber ich schweife ab.
Die eigentliche Frage bleibt: Möchte ich mein altes, gesundes Leben zurück?
Die andere Seite des Lebens: Der Kampf mit MS
Heute, nach fast 15 Jahren mit der Diagnose MS, habe ich auch die andere Seite des Lebens kennengelernt: den Verlust von Körperfunktionen, das Bitten um Hilfe, die Abhängigkeit von Bus und Bahn. Ich muss meine Therapietermine managen, habe Freunde verloren und erlebe täglich Schmerzen, die mit Spastiken und Begleiterkrankungen wie Restless Legs einhergehen. Ich ertrage Schlaflosigkeit, Spritzen, Infusionen und deren Nebenwirkungen.
Müsste ich da nicht mit Freude sagen: „Ja, ich will mein altes, gutes, gesundes Leben zurückhaben“?
Meine unerwartete Erkenntnis: Nein, ich will nicht zurück!
Und jetzt, während ich diese Frage ausformuliert habe, ist es mir klar geworden. Ich schätze mal, dass meine Antwort von keinem gesunden Menschen verstanden wird oder verstanden werden kann: Nein, ich will dieses alte Leben nicht zurück!
Denn ich habe in diesen fast 15 Jahren eines gewonnen: meine Freiheit, meine Ruhe, meinen inneren Seelenfrieden. Ich habe Entscheidungen getroffen, die mir Lasten von den Schultern genommen haben. Das beginnt beim Ex-Mann, über die Arbeit bis hin zu sogenannten Freunden, die im Rückblick nur Energiefresser waren.
Meine neue Freiheit: Ein Leben nach meinen eigenen Regeln
Heute sind mein Kopf und mein Herz frei, das zu tun, was und wann ich es gerne möchte. Ich habe wunderbare Menschen kennengelernt, die mich von Herzen und freiwillig unterstützen, obwohl sie das nicht müssen.
Diese neue Freiheit möchte ich nie wieder aufgeben! Klar, heute kämpfe ich mit anderen Herausforderungen, aber ich habe erkannt, dass ich als gesunder Mensch oft nur „funktioniert“ habe, um die Erwartungen anderer zu erfüllen. Das ist jetzt vorbei.
Die Liebe und der Frieden, die ich gefunden habe
Ich bin ich. Endlich. Und ich habe Jens seit mehr als fünf Jahren an meiner Seite – den Menschen, der mich besser kennt als jeder andere. Er ist der Mann, der mich liebt und den ich über alles liebe.
Nein, ich will mein altes, gesundes Leben nicht zurück. So wie es jetzt ist, ist es gut, und ich will es behalten.
Gedanken zur Zukunft
Und die Zukunftsaussichten mit der Diagnose? Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.
Fragen an euch: Würdet ihr euer altes Leben zurückhaben wollen?
Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, diesen Beitrag zu lesen! Ich hoffe, dass meine Erfahrungen dir ein Stück Klarheit oder Ermutigung schenken konnten. Als ich die Diagnose MS bekam, fühlte ich mich oft allein und überfordert. Genau deshalb habe ich ein Buch geschrieben, das ich selbst damals so dringend gebraucht hätte. „Spring, damit du fliegen kannst.: Ein Selbsthilfe-Ratgeber für MS-Erkrankte und ihre Angehörigen.“ Es ist bei Minerva-Vision erschienen. Wenn du Interesse hast, schau es dir gerne an – vielleicht ist es genau das, was auch dir weiterhelfen kann. Oder hör dir meinen Podcast „MS-Voices“ an. Bis zum nächsten Mal!
Du hast auch MS und möchtest mit mir in meinem Podcast darüber sprechen? Dann schreib mir eine Mail an: redaktion@minerva-vision.de.