
Toxische Freundschaften erkennen: Wann es Zeit ist, loszulassen
Hier schreibt die Ute. Über 50, mit mehr Lebenserfahrung als Faltencremes im Badezimmerschrank. Liebt Bücher, guten Rotwein und Gespräche, die auch mal wehtun dürfen. Sie hält nichts von Schönheitswahn und Fitness-Apps, aber viel von ehrlichen Worten und warmem Apfelkuchen. Mit Sahne. Und jeden Dienstag schenkt sie uns ihre Gedanken.
Manchmal frage ich mich: Warum klammern wir uns so verzweifelt an Freundschaften, die uns eigentlich nur runterziehen? Wir würden ja auch keine Pflanze im Wohnzimmer stehen lassen, die stinkt, sticht und die Tapete zerfrisst. Aber bei Menschen tun wir genau das: Wir gießen sie weiter, auch wenn sie uns längst die Blätter abknabbern. Früher dachte ich, Freundschaft sei etwas Unantastbares. Etwas, das man nicht kündigt, so wie man auch keine Familie kündigen kann (obwohl man manchmal gern würde). „Freunde fürs Leben!“, hieß es in Poesiealben und auf albernen Karten mit Glitzerkatzen. Aber was, wenn diese Freunde uns krank machen?
Die Giftküche der Seele
Toxische Freundschaften erkennt man nicht immer sofort. Die fangen nicht damit an, dass jemand dein Auto zerkratzt oder heimlich dein Lieblingsbuch verschenkt. Die sind viel subtiler.
Da ist die Freundin, die bei jedem Erfolg sofort erzählt, was sie alles Tolles erreicht hat — nur ein bisschen besser, ein bisschen größer, ein bisschen glänzender.
Oder der Kumpel, der dich immer anruft, wenn er Hilfe braucht, aber bei deinem Umzug plötzlich „Rücken“ hat.
Oder die Freundin, die dir sagt, dass du in dem Kleid „mutig aussiehst“ — was eigentlich nur ein anderes Wort für „furchtbar“ ist.
Wir merken es oft erst, wenn wir nach einem Treffen ausgelaugt nach Hause kommen, uns kleiner fühlen, zweifeln. Freundschaften sollen uns stärken, nicht unsere Selbstzweifel füttern wie dicke Tauben im Park.
Warum wir bleiben
Warum also halten wir fest? Weil wir uns schämen. Weil wir denken, wir müssten loyal sein, koste es, was es wolle. „Sie ist doch schon seit der Schule meine Freundin!“ Ja, und? Wir tragen ja auch nicht mehr die Jeans von damals (und wenn doch: Hut ab, aber auch ein bisschen Beileid).
Wir halten fest, weil wir Angst haben, allein zu sein. Lieber eine schlechte Freundin als gar keine. Lieber falsche Nähe als gar keine Wärme.
Wann es Zeit ist, loszulassen
Wenn du dich nach einem Treffen kleiner fühlst als vorher.
Wenn du dich ständig rechtfertigen musst.
Wenn dein Leben immer das Nebenprogramm ist und das ihrer der Hauptfilm.
Wenn du das Gefühl hast, du darfst nicht du selbst sein.
Dann ist es Zeit, den Mut zusammenzuraffen und zu sagen: „Danke, das war’s.“
Loslassen heißt nicht, dass wir die gemeinsame Zeit ausradieren. Wir müssen nicht gleich alle Fotos verbrennen oder die Playlist mit gemeinsamen Songs löschen (obwohl das manchmal sehr befreiend sein kann). Es heißt nur: Wir räumen Platz frei. Für Menschen, die uns guttun.
Freundschaft sollte leicht sein
Freundschaft ist kein Leistungssport. Man muss nicht ständig liefern, glänzen, um Aufmerksamkeit kämpfen. Eine gute Freundin merkt, wenn du einfach mal schweigen willst. Sie weiß, wann sie dich mit Schokolade versorgen muss und wann mit einem kräftigen Tritt in den Hintern. Wir sind nicht verpflichtet, alle Menschen aus unserer Vergangenheit mit in die Zukunft zu schleppen. Manchmal ist das mutigste und liebevollste, was wir für uns tun können, einen Rucksack abzustellen. Und plötzlich, wenn du den Ballast losgelassen hast, merkst du: Oh, ich kann ja viel leichter atmen. Ich hab Platz für echte Freude, für ehrliches Lachen, für neue Begegnungen. Also: Weg mit den seelischen Miesmachern. Halten wir uns lieber an die, mit denen wir mitten in der Nacht Pizza essen können, ohne dass sie fragen, ob das „wirklich noch sein muss“.
Denn das sind die Freunde, die wir wirklich verdienen.
Die Ute vom Dienstag