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Neue Hoffnung für kranke Babys

Es sind die Alpträume aller Eltern: Krankheiten mit unaussprechlichen Namen, für die es keine Heilung gibt. SAVI gehört dazu. Nur fünf Buchstaben, aber dahinter verbirgt sich unsägliches Leid.

Die Abkürzung steht für “STING-assoziierte Vaskulopathie mit Beginn im Säuglingsalter” – eine seltene Erbkrankheit, von der weltweit nur wenige Dutzend Fälle bekannt sind. Babys, die damit geboren werden, entwickeln in den ersten Lebensmonaten schwere Entzündungen der Blutgefäße. Ihre Haut wird fleckig, die Finger werden kalt, Gewebe stirbt ab. Für betroffene Familien ist die Diagnose ein Schock – denn bisher galt SAVI als unheilbar.

Jetzt aber gibt es Hoffnung. Ein Forschungsteam der Universität zu Köln hat einen entscheidenden Durchbruch erzielt. Zum ersten Mal verstehen Wissenschaftler, warum SAVI-Patienten so schwer leiden – und wichtiger noch: Sie haben einen Weg gefunden, wie sich das verhindern lässt.

Der Feind im eigenen System

Bei SAVI-Patienten ist ein körpereigenes Protein namens STING permanent überaktiviert. STING ist normalerweise wichtig für unser Immunsystem – es erkennt Viren und andere Eindringlinge und schlägt Alarm. Doch durch eine Genmutation funktioniert es bei SAVI-Kranken nicht mehr richtig. Es bombardiert den Körper permanent mit Alarmsignalen.

Dr. Gianmaria Liccardi und sein Team fanden heraus, was dann passiert: Das überaktive STING aktiviert ein anderes Protein namens ZBP1. Und ZBP1 löst eine besonders brutale Form des programmierten Zelltods aus – die sogenannte Nekroptose. Bei diesem Prozess platzen die Zellen buchstäblich auf und setzen dabei Entzündungsstoffe frei. Ein Teufelskreis entsteht.


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“Unsere Arbeit zeigt, dass STING nicht nur Immunsignale reguliert, sondern auch den entzündlichen Zelltod unmittelbar auslöst”, erklärt Dr. Liccardi die Entdeckung. “Dies bedeutet, dass die gezielte Steuerung des programmierten Zelltods neuartige Behandlungsmethoden für SAVI und möglicherweise auch für andere STING-assoziierte Entzündungskrankheiten eröffnen könnte.”

Der Beweis

Um ihre Theorie zu beweisen, arbeiteten die Kölner Forscher mit dem renommierten Kinderkrankenhaus Bambino Gesù in Rom zusammen. Die italienischen Ärzte stellten Gewebeproben von SAVI-Patienten zur Verfügung – ein kostbarer wissenschaftlicher Schatz, denn die Krankheit ist extrem selten.

Die Analyse bestätigte ihre Vermutung: In den Zellen der kranken Kinder fanden sie eindeutige Anzeichen für eine fehlerhafte Aktivierung des programmierten Zelltods. Der Mechanismus, den sie im Labor entschlüsselt hatten, war tatsächlich die Ursache von SAVI.

Aber die entscheidende Frage stand noch aus: Lässt sich der Prozess stoppen? Um das herauszufinden, züchteten die Forscher Mäuse mit derselben STING-Mutation wie SAVI-Patienten. Die Tiere entwickelten ähnliche Symptome wie die kranken Kinder – Entzündungen, Gefäßschäden, früher Tod.

Der Wendepunkt

Dann verabreichten die Wissenschaftler den Mäusen einen experimentellen Wirkstoff, der die Nekroptose blockiert. Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen: Die Krankheitssymptome gingen dramatisch zurück. Die Entzündungen heilten ab, die Blutgefäße erholten sich, die Überlebensrate stieg erheblich.

Es war der Durchbruch, auf den SAVI-Familien weltweit gehofft hatten. Zum ersten Mal seit der Entdeckung der Krankheit vor zwei Jahrzehnten gab es eine realistische Aussicht auf Behandlung – eine Sensation in der Wissenschaftswelt.

Hoffnung für viele Krankheiten

Die Tragweite der Entdeckung geht weit über SAVI hinaus. Der STING-Signalweg ist auch bei vielen anderen Autoimmun- und Entzündungskrankheiten überaktiviert – von rheumatoider Arthritis über Lupus bis hin zu bestimmten Formen von Alzheimer. Die gezielte Hemmung der Nekroptose könnte bei einem breiten Spektrum von Leiden helfen. Zum ersten Mal seit Jahren gibt es echte Hoffnung statt nur Mitgefühl und Ratlosigkeit. In seinem Labor arbeitet der Forscher bereits an der nächsten Phase. Das Ziel ist klar: Aus einer wissenschaftlichen Entdeckung soll eines Tages eine Therapie werden, die kranken Kindern hilft.

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