
Meghan Markle, Machiavelli und wir
Warum wir den Verrat lieben – aber die Verräterin nicht
Ich gebe es zu: Ich habe Archetypes gehört. Die erste Folge. Dann habe ich mich lieber wieder Archetypen in meinem eigenen Leben zugewandt – der unhöflichen Nachbarin, dem charmanten Ex, dem inneren Kritiker mit Schleifenanzug. Und Netflix? Ich habe die Doku Harry & Meghan gesehen. Zwei Folgen. Danach war ich so erschöpft, als hätte ich selbst im Palast gelebt und wäre über einen Corgi gestolpert. Und doch ließ mich der Gedanke nicht los: Warum eigentlich finden wir Meghan Markle so… anstrengend? Warum kippt unser Mitgefühl in Missmut, unser Interesse in Ironie? Vielleicht, weil sie das perfekte Beispiel für einen alten, unheimlich wahren Satz ist:
„Die Menschen lieben den Verrat – aber sie hassen den Verräter.“ Machiavelli, Baby. Und Meghan mitten drin.
Die Rebellin in uns – oder: Wie wir uns gern empören
Wir alle lieben eine gute Auflehnung. Das tapfere Mädchen, das dem System den Mittelfinger zeigt. Diana. Pippi Langstrumpf. Katniss Everdeen. Meghan, die sich aus dem Goldkäfig der Royals befreit, hatte also eigentlich alles, was es braucht, um unsere Herzen zu erobern. Und am Anfang tat sie das auch. Wir lasen die Schlagzeilen wie Groschenromane: „Herzogin gegen Hof! Frau gegen Macht!“ Wir waren empört, erschüttert, begeistert. Sie war unsere moderne Heldin: schön, eloquent, biografisch belastet – wie wir alle, nur mit schöneren Haaren und besseren Zähnen.
Und dann – wurde es… seltsam.
Plötzlich war nicht mehr klar, ob wir hier einen Befreiungskampf sahen oder eine internationale PR-Tournee mit Dior-Handtasche. Es wurde viel gesprochen – über sich selbst. Viel enthüllt – über andere. Und noch mehr produziert – Podcasts, Serien, Kinderbücher, Hautpflege-Ideen und PR-Dramaturgie.
Das Problem?
Der Verrat wurde sichtbar, aber die Absicht blieb nebulös. War das Empowerment oder Eitelkeit? Mut oder Marketing? Nach zwölf Folgen Spotify war Schluss. Kein Staffel-Finale. Kein Cliffhanger. Kein „See you next season“. Nur: Danke, das war’s. Der Vertrag über 20 Millionen Dollar wurde angeblich nicht erfüllt. Spotify schloss die Tür leise, aber hörbar. Hinter vorgehaltener Hand war von mangelnder Substanz die Rede. Und von einem gewissen Mangel an… Arbeitseinsatz.
Netflix – ganz große Bühne, ganz kleine Quote
Dann kam das nächste Desaster, diesmal mit Bildern. With Love, Meghan, ihr Lifestyle-Format auf Netflix, floppte. Offiziell. Platz 383 der meistgesehenen Formate des Jahres. Dreihundertdreiundachtzig! Das ist irgendwo zwischen einem finnischen Eishockey-Drama und einem stillgelegten YouTube-Kanal über Fische züchten. Prinz Harrys Polo-Doku war übrigens noch darunter. Aber das nur am Rande. Ehe ist schließlich Teamarbeit.
Verräterin wider Willen?
Was Meghan unterschätzt hat: Wir verzeihen den Verrat. Wenn er Mut macht. Wenn er weh tut und wahr ist. Aber wenn er sich anfühlt wie ein durchkomponierter Pitch für einen Streamingdienst, dann schalten wir um. Innerlich. Wir, die Zuschauerinnen, wollen Nähe. Selbstzweifel. Dreck unter den perfekten Nägeln. Etwas Echtes. Stattdessen bekamen wir glänzende Küchen-Fassaden und kandierte Blütenblätter. Das ist nicht per se verwerflich – aber eben auch nicht besonders… berührend.
Vielleicht sind wir alle ein bisschen Meghan
Sind wir nicht alle manchmal die Verräterin? An unseren Prinzipien, unseren Diäten, unseren eigenen Träumen? Vielleicht stört uns an Meghan nicht, dass sie gegangen ist, sondern dass sie dabei so aussieht, als hätte sie es geplant. Als sei sie sich selbst nie fremd gewesen. Ich dagegen bin mir dauernd fremd. Und das, meine Lieben, macht mich vielleicht sympathischer – aber leider nicht netflix-kompatibel.
Der Kommentar von Nina, unserem Mental-Health-Coach: Von der Schwierigkeit, sich selbst treu zu bleiben – und dabei verbunden zu bleiben
Wenn ich auf Meghan Markle schaue, sehe ich keinen Medienprofi oder Royal-Flüchtling. Ich sehe einen Menschen, der versucht hat, sich aus einer Rolle zu befreien, die ihm nicht entsprach – und dabei etwas ganz Wesentliches verloren hat: die Verbindung.
Verbindung zu sich selbst.
Verbindung zu anderen.
Verbindung zu einem größeren Ganzen.
Meghan hat – wie so viele von uns – eine Geschichte mitgebracht, in der Anerkennung und Zugehörigkeit nicht selbstverständlich waren. Wer als junger Mensch nicht bedingungslos angenommen wurde, entwickelt häufig zwei Strategien: Anpassung oder Abgrenzung.
Sie hat sich für die Abgrenzung entschieden. Sie hat Nein gesagt zum höfischen System, zur Rolle, zu der stillen Erwartung, dass sie ihre Individualität der Institution unterordnet. Das war mutig. Und gesund. Aber Abgrenzung allein macht noch kein gesundes Selbst.
Wirkliche Integrität entsteht nicht nur durch das, wogegen wir uns stellen, sondern durch das, wofür wir stehen. Und das ist genau das, was vielen Menschen bei Meghan fehlt: ein innerer Anker, ein klares Ja zu sich selbst, nicht bloß ein Nein zu den anderen. Sie spricht viel, aber es klingt oft wie ein Monolog aus dem Überlebensmodus. Wenig dialogisch. Wenig beziehungsorientiert.
Und deshalb funktioniert es nicht. Nicht bei Spotify. Nicht bei Netflix. Und nicht beim Publikum.
Meghan ist nicht gescheitert. Sie ist auf einem Weg, den viele gehen: dem Versuch, ein authentisches Leben zu führen in einer Welt, die vor allem Rollenerfüllung belohnt. Aber Authentizität ist kein Solo, sie entsteht im Dialog. Und genau das wäre ihre eigentliche Aufgabe: nicht mehr senden, sondern sich einlassen.