Freizeit

Kendo und Chessy – Einsatz an der Bosnischen Grenze

Wir waren zum wiederholten Male in Bosnien unterwegs, um eine Hilfsorganisation bei ihrer Suche nach Minen und Blindgängern zu unterstützen. Wir, das waren Kendo Perle de Tourbiere, Chessy von der Zarge und ich als Hundeführer. Unsere Aufgabe war es, Safe-Lines, Sicherheitslinien, einzurichten, damit eine Minenverdachtsfläche zur systematischen Absuche vorbereitet werden konnte.

Hierbei wird die Fläche wie ein Schachbrett aufgeteilt, die Linien, auf denen sich dann die „Entminer“ bewegen können, sind zwischen 1,20 m und 2,40 m breit. Der Hund sucht direkt vor dem Hundeführer auf eben dieser Breite hin und her, dabei bewegen sich beide langsam vorwärts. Es liegt auf der Hand, dass man bei dieser Vorgehensweise großes Vertrauen in die Fähigkeiten seines vierbeinigen Kollegen setzen muss. In einer Suchpause wurden wir von einem deutschen Polizeioffizier, der im Rahmen einer UN-Mission die bosnischen Grenzer unterstützte, angesprochen. Er fragte, ob ich mit meinen beiden Hunden ein paar Tage am Grenzübergang bei Orasje Dienst versehen würde? Ich willigte in Absprache mit der Organisation, für die ich dort tätig war, ein.

Sprengstoff im Reisebus?

Zunächst war man vonseiten der Bosnier ein wenig skeptisch und präparierte ein Fahrzeug mit Waffen. Ich suchte also unter den Augen des kompletten Grenzkommandos ein paar Fahrzeuge, die dort standen ab, bis Kendo sich an der Hecktür eines Fahrzeuges absetzte und mir den Fund damit anzeigte. Ich wiederholte dasselbe mit Chessy. Nun, den kleinen Test hatten wir bestanden und wir verabredeten uns auf den nächsten Morgen. Insgesamt sollte ich eine Woche dort „aushelfen“. Morgens um 6 Uhr war ich pünktlich vor Ort und wir verabredeten, dass ich jeweils 5-8 Fahrzeuge, die in der Schlange standen, sporadisch von außen absuchen sollte. Dieses Absuchen sollte natürlich nur Aufmerksamkeit erregen und war hauptsächlich präventiv gedacht. Darüber hinaus wurden dann Fahrzeuge von den Grenzern heraus gewunken, die ich dann von innen und außen inklusive Gepäckstücke intensiver durchsuchen sollte. Das erste Fahrzeug zur „Feinsuche“ war ein Reisebus Richtung Kroatien. Für die Gäste hieß es: alle aussteigen, für den Fahrer: sämtliche Klappen innen und außen öffnen, ebenfalls aussteigen und warten. Kendo war an der Reihe mit Suchen.

Hat der Fahrer etwas zu verbergen?

Zuerst nahm ich mir den Bus von außen vor. Alle Öffnungen, Spalten und der Unterboden wurden abgesucht, dann ging es durch eine Tür in das Innere des Busses. Jede Sitzreihe, speziell unter den Sitzen, wurde von Kendo, der sehr eifrig bei der Sache war, genauestens überprüft. Ganz zum Schluss ging es dann in das Innere der Gepäckstaufächer. Die komplette Absuche des Busses nahm ungefähr 45 Minuten in Anspruch und Kendo war danach erst einmal komplett erledigt und brauchte dringend eine längere Pause. Ich suchte derweil mit Chessy Fahrzeuge ab, die von den Grenzbeamten heraus gewunken wurden. Bei der Absuche eines Fahrzeuges wurde sie dann augenscheinlich fündig. Sie drückte die Nase auf einen Spalt im Fahrzeug, sog tief die Witterung ein und setze sich ab. Anzeige! Die Fahrzeuginsassen beobachteten die Aktion mit sehr gemischten Gefühlen aus einigen Metern Distanz. Nur zur Absicherung holte ich Kendo noch dazu. Auch dieser zeigte an der gleichen Stelle ein eindeutiges Anzeigeverhalten. Der Wagen wurde direkt an die Seite geschafft, die Insassen zu einem Gespräch in das Innere des Grenzgebäudes geladen und weitere Beamte begannen damit, das Auto sehr genau unter die Lupe zu nehmen. Obwohl das Kfz mehr oder weniger zerlegt wurde, wurden kein Sprengstoff und keine Waffen, gefunden. Ich war ein bisschen am Boden zerstört, muss ich zugeben und begann, an meinen Hunden zu zweifeln.

Zweifle nie an deinen Hunden

Doch die Tür zum Vernehmungsraum öffnete sich und ein sichtlich zufriedener Grenzbeamter teilte mir mit, die Insassen hätten zugegeben, Handgranaten genau an der Stelle transportiert zu haben, die von den Hunden angezeigt worden war. Man hätte die Granaten beiseite geschafft, um mit diesen im nahen Fluss „Fischen“ zu gehen. Also doch: Volltreffer! Daraus habe ich gelernt, nie wieder an meinen Hunden zu zweifeln. Was Nasenarbeit angeht, wissen die beiden es einfach besser. Und der Hundenase erschließen sich Dinge, die wir nicht einmal erahnen können. Diese Aktion sprach sich natürlich herum und in den Folgetagen kamen Fahrzeugführer, wenn sie in der Reihe standen, bereits freiwillig nach vorn gelaufen, um Waffen und Sprengstoff abzugeben, die sich vielleicht „zufällig“ noch im Auto befanden.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.

Martin Weitkamp

Im Schatten der Gefahr

Hardcover, 128 Seiten, s/w

ISBN: 978-3-9815634-2-9

www.minervastore.de

Teilen