Psychologie

„Ich habe den Exmann meiner besten Freundin geheiratet.“

Erzähl mir dein Leben:

„Erzähl mir dein Leben“ ist der Ort, an dem Menschen ihre ganz persönliche Geschichte teilen. Ob große Herausforderungen, kleine Freuden, unerwartete Wendungen oder mutige Entscheidungen – hier findet jede Lebensgeschichte ihren Raum. Durch das Erzählen entdecken wir uns selbst und können auch anderen helfen.

Unsere Söhne waren beste Freunde. Jetzt torpediert sie die Freundschaft.

Julia, 40 Jahre alt, hat vor einem Jahr den Exmann ihrer besten Freundin geheiratet. Die Freundschaft ist daran zerbrochen und nun ist auch die Freundschaft der beiden Söhne gefährdet.


Julia, danke, dass du bereit bist, über dieses schwierige Thema zu sprechen. Kannst du uns erzählen, wie es dazu kam, dass du den Exmann deiner besten Freundin geheiratet hast?

Julia:
Es ist eine komplizierte Geschichte. Mein Mann, Tim, war zehn Jahre lang mit meiner besten Freundin Sandra verheiratet. Wir waren alle eng miteinander befreundet, unsere Kinder, Ben und Jonas, sind im gleichen Alter und waren von klein auf unzertrennlich. Sandra und ich waren beste Freundinnen, wir haben so viel Zeit miteinander verbracht. Doch als ihre Ehe mit Tim vor drei Jahren zerbrach, veränderte sich alles. Die Scheidung war schmerzhaft für beide, aber sie verlief relativ ruhig, ohne große Dramen – zumindest dachte ich das damals.

Nach der Trennung haben Tim und ich weiterhin Kontakt gehalten, vor allem wegen der Kinder. Wir haben uns oft gesehen, die Jungs haben zusammen gespielt, und mit der Zeit haben Tim und ich begonnen, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Aus dieser Nähe entwickelte sich schließlich eine Beziehung. Das war keineswegs geplant, und ich habe lange mit mir gerungen, ob ich diese Gefühle zulassen soll. Aber irgendwann konnte ich nicht mehr leugnen, dass Tim und ich uns verliebt hatten.

Ich wusste, dass es schwierig werden würde, wegen Sandra. Aber ich hatte gehofft, dass sie, mit der Zeit, damit zurechtkommt. Stattdessen ist das Gegenteil passiert.

Wie hat Sandra reagiert, als sie von eurer Beziehung erfuhr?

Julia:
Es war eine Katastrophe. Als ich Sandra davon erzählt habe, war sie wütend und tief verletzt. Ich kann das verstehen. Es muss für sie ein riesiger Schock gewesen sein. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass es nie meine Absicht war, ihr wehzutun, dass sich die Dinge einfach so entwickelt haben. Aber sie wollte nichts davon hören.

Sie sagte, ich hätte ihr Vertrauen missbraucht, und dass ich sie verraten hätte, indem ich mit Tim zusammenkam. Für sie war es das Ende unserer Freundschaft. Sie hat mir nie wirklich die Chance gegeben, mit ihr darüber zu sprechen. Es war, als ob ich von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben gestrichen wurde. Das tat unglaublich weh, weil sie ja nicht nur meine beste Freundin war, sondern auch eine wichtige Bezugsperson für meine Familie.

Und wie hat sich das auf die Freundschaft zwischen euren Söhnen ausgewirkt?

Julia:
Das war der härteste Teil für mich. Ben und Jonas waren immer wie Brüder, sie haben so viel zusammen erlebt. Ich dachte, dass wir zumindest für die Kinder eine friedliche Lösung finden könnten, dass sie nicht darunter leiden müssten, was zwischen uns Erwachsenen passiert ist. Aber Sandra hat das anders gesehen.

Sie hat angefangen, Treffen zwischen den Jungs zu sabotieren. Anfangs war es subtil – sie sagte, Jonas sei beschäftigt oder hätte andere Pläne. Doch bald wurde es deutlicher. Jonas durfte nicht mehr zu uns nach Hause kommen, und Sandra verbot ihm sogar, sich in der Schule mit Ben zu treffen. Sie hat regelrecht versucht, ihre Freundschaft zu zerstören. Aber Jonas besucht seinen Vater und damit auch mich regelmäßig und dann sehen die beiden sich. Für Jonas ist es auch nicht leicht, er  hat aber großes Mitleid mit seiner Mutter. Es ist alles so schwer für die Jungs und das müsste doch nicht sein. Ich meine, wir sind doch erwachsen. 

Hast du versucht, mit Sandra darüber zu sprechen und eine Lösung zu finden?

Julia:
Ja, ich habe es immer wieder versucht. Ich habe Sandra mehrfach angerufen, ihr geschrieben, sogar versucht, persönlich mit ihr zu reden. Aber sie blockt alles ab. Sie ist so voller Wut und Bitterkeit, dass sie keinen Dialog zulässt. Für sie ist es, als ob ich komplett aus ihrem Leben verschwunden bin, und das schließt auch Ben ein. Es fühlt sich unfair an, weil Ben nichts mit unserer Situation zu tun hat. Er ist ein unschuldiger Junge, aber für Sandra scheint das nicht mehr wichtig zu sein.

Wie gehst du damit um, dass deine ehemals beste Freundin jetzt so gegen dich und die Freundschaft der Kinder arbeitet?

Julia:
Es ist schwer. Es tut weh, jemanden zu verlieren, den man so lange als enge Vertraute gesehen hat. Sandra war wie eine Schwester für mich, und jetzt sind wir Fremde. Es ist nicht nur der Verlust der Freundschaft, sondern auch die ständige Spannung, die sie erzeugt. Ich fühle mich oft machtlos, weil ich keinen Einfluss darauf habe, wie sie mit der Situation umgeht.

Es gibt Tage, an denen ich mich frage, ob ich anders hätte handeln sollen – ob ich es hätte verhindern können. Aber dann erinnere ich mich, dass es im Leben manchmal Wege gibt, die wir nicht kontrollieren können. Ich habe Tim aus Liebe geheiratet, und ich stehe zu dieser Entscheidung. Es ist traurig, dass Sandra das nicht akzeptieren kann, aber ich kann ihr ihre Gefühle nicht aufzwingen. Was die Jungs betrifft, versuche ich, Ben so gut es geht zu unterstützen. 

Hast du in deinem Umfeld Unterstützung bekommen, um mit dieser schwierigen Situation umzugehen?

Julia:
Zum Glück habe ich Menschen, die mir beistehen. Tim und ich unterstützen uns gegenseitig sehr, und er versteht, wie schwierig das für mich ist. Meine Familie und einige andere enge Freunde haben mir geholfen, mit dem emotionalen Druck klarzukommen. Ich habe auch gemerkt, dass es wichtig ist, meine eigenen Grenzen zu setzen – ich kann nicht die Kontrolle über Sandras Verhalten übernehmen.

Es tut gut, mit Menschen zu sprechen, die mir zuhören und mir das Gefühl geben, dass ich nicht alleine durch diese Situation gehen muss. Aber dennoch bleibt dieser Schmerz, dass eine Freundschaft, die so viele Jahre wichtig war, so plötzlich und endgültig zerbrochen ist.

Wie blickst du in die Zukunft? Gibt es Hoffnung, dass sich die Situation irgendwann entspannt?

Julia:
Ich hoffe es. Ich denke, mit der Zeit könnten die Wunden vielleicht heilen, zumindest für die Kinder. Für mich und Sandra sehe ich keine baldige Versöhnung – dazu ist zu viel kaputtgegangen. Aber vielleicht, wenn genug Zeit vergangen ist, erkennt sie, dass das Wohl der Kinder wichtiger ist als unsere persönliche Fehde.

Für Ben wünsche ich mir einfach, dass er glücklich ist und lernt, mit der Situation umzugehen. Ich hoffe, dass er versteht, dass das, was zwischen mir und Sandra passiert ist, nichts mit seiner Freundschaft zu Jonas zu tun hat. 

Julia, vielen Dank, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast.

Der Kommentar von Nina, unserem Selbsthilfe-Coach:

Wenn Freundschaften zerbrechen, leiden oft auch die Kinder

“Jetzt mal ehrlich, liebe Julia: was hast du denn erwartet, als du mit dem Exmann deiner besten Freundin eine Beziehung eingegangen bist? Es gibt gewisse Tabus im sozialen Leben und nicht ohne Grund zählt der Partner – ganz gleich ob Ex oder nicht – der Freunde dazu. Ich erkläre dir auch gerne, warum das so ist. Am Besten aus der Sicht deiner Ex-Freundin Sandra. Sie hatte in ihrem Leben zwei enge Beziehungen: zu ihrem Mann und zu dir. Du schreibst nicht, wer die Beziehung beendet hat, nur, dass es schmerzhaft war. Und wahrscheinlich hast du als beste Freundin fest an Sandras Seite gestanden. Das machte dich für sie umso wichtiger. Du warst also ihr Anker, ihre einzige Bezugsperson. Und nun wählst du als deinen neuen Partner ausgerechnet ihren Ex-Mann. Das dürfte für Sandra ein Trigger-Reiz sein, sie fällt also zurück in die schmerzhafte Trennungszeit und erlebt diesen Alptraum erneut,  natürlich auf einer anderen Ebene. Früher war es die partnerschaftliche, heute ist es die freundschaftliche Ebene. Und sie reagiert auch wahrscheinlich ähnlich und zieht sich vollkommen zurück. Sie macht das nicht, um dich zu quälen. Sie braucht die Distanz für sich, weil sie verletzt ist. 

Du siehst, liebe Julia, Sandras Rückzug ist eine Schutzreaktion, und das ist absolut verständlich. Du hast nicht nur eine emotionale Wunde wieder aufgerissen, sondern auch die Vertrauensbasis zerstört, die eure Freundschaft getragen hat. Stell dir vor, wie es für sie sein muss: In der Phase, in der sie am verletzlichsten war, hast du eine Grenze überschritten, die für sie wie eine zweite Trennung wirkt. Für sie gibt es jetzt keine klare Trennung zwischen den Rollen von Freundin und Ex-Partnerin. Beides vermischt sich zu einem schmerzhaften Ganzen, das sie in ihrer Verzweiflung allein bewältigen muss.

Und seien wir ehrlich, Julia: Was hast du von dieser Beziehung erwartet? Das ist keine normale Situation, in der es nur um zwei Menschen geht, die sich zueinander hingezogen fühlen. Hier ist eine dritte Person involviert, die emotional mit beiden von euch verbunden war. Es gibt Tabus im sozialen Miteinander – nicht, weil die Gesellschaft willkürliche Regeln aufstellt, sondern weil diese Regeln auf emotionaler Rücksichtnahme und Respekt basieren. Es geht darum, Verletzungen zu vermeiden, wo sie vermeidbar wären.

Vielleicht fragst du dich, ob du nicht auch ein Recht auf Glück und Liebe hast, und das tust du zweifelsohne. Aber sie hat halt ihren Preis, und leider muss den nun auch dein Kind zahlen. Sicherlich kann es nichts dafür, da gebe ich dir Recht. Ich habe aber auch das Gefühl, dass du um Verständnis für dich bittest und Sandra verurteilst, und dein Sohn lediglich ein Vorwand ist. Die Wahrheit ist, dass deine neue Partnerschaft die Freundschaft der Jungs belastet. Ob sie stark genug ist, um das zu überleben wird sich zeigen. Die Rolle deines neuen Partners ist da auch bedeutsam. Vielleicht ist es für Jonas schwer, seinen besten Freund mit seinem Vater zusammen zu sehen und zu teilen. Es gibt da einige Hürden, die genommen werden müssen. Wenn du das Beste für deinen Sohn willst, dann öffne ihm neue Optionen. Such ihm einen Sportverein, erweitere seine sozialen Kontakte, so dass er neue Interessen entwickeln und weitere Freundschaften knüpfen kann. Aber lass Sandra in Ruhe. Du fragst dich, ob Sandra nicht irgendwann darüber hinwegkommen wird. Die Wahrheit ist: Vielleicht wird sie das, vielleicht auch nicht. Aber selbst wenn sie es schafft, wird eure Freundschaft niemals wieder die gleiche sein. Um es abschließend auf den Punkt zu bringen: du bist erwachsen und du wusstest, dass Entscheidungen Konsequenzen haben. Die gilt es nun zu meistern und dabei wünsche ich euch allen nur das Beste.” 

Deine Geschichte ist es wert, erzählt zu werden. Egal, ob du selbst schreibst oder liest – „Erzähl mir dein Leben“ verbindet uns alle durch das, was uns am meisten ausmacht: unsere Erfahrungen. Du möchtest deine Geschichte erzählen? Dann schreib uns eine Mail an: redaktion@minerva-vision.de.

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