
Die kaputte Glühbirne – Mein kleiner Abgrund im Flur
Die Alltagsphilosophie-Kolumne exklusiv bei Minerva VISION:
Denken hilft auch nicht – Alltagsbeobachtungen mit Tiefgang
Sie war einfach aus. Von einer Sekunde auf die nächste. Kein Flackern, kein dramatisches Finale. Einfach: Dunkel. So wie eine Beziehung, bei der plötzlich das Netflix-Passwort geändert wird.
Ich steh da, mitten im Flur. Alles ist grau. So eine Art Endzeitstimmung, nur ohne Zombies – dafür mit Hausschuhen. Und ich denke: „Mach ich morgen.“
Mach ich nicht.
Ich mache gar nichts. Ich taste mich durchs Halbdunkel wie ein Finanzbeamter auf einem Poetry-Slam – ahnungslos, überfordert, aber mit Haltung. Immer mit der Hoffnung, dass mein Zeh nicht wieder die Schuhkommode trifft. Spoiler: Er trifft sie. Jeden Abend. Präzise. Mit einer Verlässlichkeit, die Deutsche Bahn neidisch machen würde.
Ich finde Ausreden. Keine Leiter. Keine Zeit. Keine passende Birne. Alles da. Sogar zwei Birnen. Ich hab sie gesehen. Liegen im Putzmittelschrank – direkt neben der Tube Sekundenkleber, die nie funktioniert, wenn man sie braucht, und sofort klebt, wenn man sie versehentlich berührt.
Irgendwann – völlig entnervt – am sechsten Tag hole ich die Leiter. Also das Ding, das zu 90 % meiner Zeit als Handtuchhalter dient. Ich steige rauf. Und drehe die Birne rein. Klick. Licht. Einfach so.
Und der Flur sieht plötzlich aus wie ein völlig überbeleuchtetes IKEA-Exponat.
Und ich denk: Das war’s? Dafür die ganze Melodramatik? Ich hab den Flur behandelt wie ein metaphysisches Rätsel. Dabei war’s nur eine Birne für 1,99. Im Dreierpack.
Und weißt du, was das eigentlich zeigt?
Manchmal lebt man eine Woche im Dunkeln, nur weil man zu faul ist, die Wahrheit anzuschalten.
Oder weil man die Leiter nicht als solche erkennt.

Unser Kolumnist: Karl von Nebenan
Beruf: Irgendwas mit Verwaltung, aber keiner weiß, was er genau verwaltet, Kolumnist | Wohnt: Im Erdgeschoss – seit 1983 | Besonderheiten: Besitzt sieben verschiedene Thermoskannen | Hält Schweigen für eine Form von Respekt – oder Überlegenheit