
Die Kaffeemaschine – Ein Drama in mehreren Tassen
Die Alltagsphilosophie-Kolumne exklusiv bei Minerva VISION:
Denken hilft auch nicht – Alltagsbeobachtungen mit Tiefgang
Ich weiß nicht, wie’s dir geht, aber für mich beginnt der Tag immer mit einem kleinen Akt des Vertrauens. Ich rede von meiner Kaffeemaschine. Einem Gerät, das mir jeden Morgen verspricht: „Heute wird’s was.“ Und mich dann enttäuscht. Fast immer.
Ich drück den Knopf. Und dann fängt sie an. Erst dieses leise Brummen, als würde sie überlegen, ob sie überhaupt Lust hat. Dann das Zischen. Und schließlich das Röcheln. Wie ein alter Mann, der sich aus dem Sessel erhebt, nur um festzustellen, dass niemand was von ihm will. Und trotzdem steh ich da. Mit meiner Tasse in der Hand. Bereit, als wär’s ein Sakrament.
Was rauskommt, ist… Geschmack. Irgendeiner. Manchmal bitter. Manchmal dünn. Manchmal schmeckt es nach „Ich hab den Entkalker seit Ostern ignoriert“. Aber ich trinke es. Weil ich ein Mensch bin. Und weil ich glaube, dass hinter jeder Tasse die Chance auf einen guten Tag steckt. Manchmal sogar auf einen sehr mittelmäßigen. Und das reicht ja schon.
Ich hab schon versucht, mich zu wehren. Hab die Maschine ausgetrickst. Erst den halben Knopf gedrückt, dann umrühren, dann nochmal drücken. Als würde ich mit einem störrischen Esel verhandeln. Sie lässt sich nicht beeindrucken. Macht, was sie will. Und ich trinke trotzdem. Jeden Morgen. Denn irgendwo zwischen Bohne und Brühe liegt die Hoffnung.
Was ich besonders absurd finde: Ich hab Alternativen. Es gibt eine French Press im Schrank. Und irgendwo sogar noch diese Pads, die nie jemand benutzt. Aber ich nehm sie nicht. Weil ich loyal bin. Und vielleicht auch ein bisschen masochistisch.
Und dann – ganz selten – klappt es. Ein perfekter Kaffee. Temperatur, Stärke, alles stimmt. Und ich denk: Vielleicht liebt sie mich doch. Vielleicht war all das nur ein Test. Eine Art Beziehung mit Stromkabel.
Und weißt du, was das eigentlich zeigt?
Manche Routinen sind keine Gewohnheiten. Sie sind stille Verträge mit dem Leben. Und die Kaffeemaschine ist mein Zeuge.

Unser Kolumnist: Karl von Nebenan
Beruf: Irgendwas mit Verwaltung, aber keiner weiß, was er genau verwaltet, Kolumnist | Wohnt: Im Erdgeschoss – seit 1983 | Besonderheiten: Besitzt sieben verschiedene Thermoskannen | Hält Schweigen für eine Form von Respekt – oder Überlegenheit