
Der Staubsauger – Die Illusion von Kontrolle
Die Alltagsphilosophie-Kolumne exklusiv bei Minerva VISION:
Denken hilft auch nicht – Alltagsbeobachtungen mit Tiefgang
Mittwochs ist Staubsaugertag. Frag nicht warum – das hat sich so eingebürgert. Vielleicht weil der Mittwoch so ein Tag ist, der sonst nichts hat. Kein Anfang, kein Ende. Einfach so ein graues Dazwischen. Da passt Staubsaugen ganz gut rein.
Ich nehm also den Sauger aus dem Abstellraum. Schon das Kabel abwickeln ist eine Lektion in Geduld. Immer hat es sich irgendwo verhakt. Und ich frag mich jedes Mal, wie das sein kann. Es liegt die ganze Woche unbewegt da, aber wenn ich es brauche, ist es verknotet wie das Leben nach einem missglückten Klassentreffen.
Dann fang ich an. Längs über den Teppich. Rückwärts. Einmal quer. Ich kenn die Choreografie. Es ist ein Tanz. Nicht schön, aber rhythmisch. Und laut. Sehr laut. Ich glaube, der Lärm ist wichtig. Er suggeriert mir: Hier passiert was. Hier wird etwas beseitigt. Gereinigt. Wie ein Reinigungsritual für die Seele. Nur mit mehr Staubbeuteln.
Und trotzdem: Ich weiß, dass es nicht reicht. Der Dreck kommt wieder. Immer. Man saugt ihn weg – und er kehrt zurück. Wie schlechte Nachrichten. Oder Verwandte mit Wohnmobil. Das ist der Moment, in dem ich mich frage: Wofür das alles? Warum kämpfen gegen etwas, das sowieso wiederkommt?
Aber genau das ist der Trick. Es geht nicht ums Gewinnen. Es geht darum, sich zu behaupten. Gegen das Chaos. Gegen den Staub. Gegen die kleine Stimme im Kopf, die sagt: „Lass es liegen.“ Ich hör nicht auf sie. Noch nicht.
Und weißt du, was das Schöne daran ist?
Der Staubsauger brummt wie ein alter Bekannter, der mir sagt: Du hast’s wenigstens versucht.

Unser Kolumnist: Karl von Nebenan
Beruf: Irgendwas mit Verwaltung, aber keiner weiß, was er genau verwaltet, Kolumnist | Wohnt: Im Erdgeschoss – seit 1983 | Besonderheiten: Besitzt sieben verschiedene Thermoskannen | Hält Schweigen für eine Form von Respekt – oder Überlegenheit