Gesundheit

Der Kampf um Hoffnung

Carmen Geiss: Neun Fehlgeburten und der Kampf um Hoffnung. | Robert Geiß, bekannt aus der Reality-Show „Die Geissens“ sprach in einem Podcast-Interview mit Chris Wolf über den schweren Weg, den er und seine Frau bis zur Geburt ihrer Töchter gehen mussten. Und schafft damit ein öffentliches Bewusstsein für Frauen, denen es genauso geht. Finden wir gut. Denn er gibt ihnen damit viel: Hoffnung und Verständnis. Und wir haben neue Erkenntnisse. Eine mögliche Ursache für wiederholte Fehlgeburten könnte eine chronisch entzündete Gebärmutterschleimhaut sein.

Ursachen für Unfruchtbarkeit: Entdeckungen in der Reproduktionsmedizin

Dieser Zusammenhang wurde in einer Kinderwunschklinik entdeckt. Und zwar von Dr. Alexandra Kohl Schwartz. Die Leiterin der Abteilung für Reproduktionsmedizin des Luzerner Kantonspitals behandelt Eltern, die vergeblich versuchen, ein Kind zu bekommen. „Oft vergehen Jahre der Verzweiflung. Viele Paare machen sich Selbstvorwürfe und empfinden es als persönliche Schwäche, keine Kinder zu bekommen. Besonders schlimm ist es oft für Paare, welche mit wiederholten Fehlgeburten konfrontiert sind.“ 

Die Kosten der Kinderwunschbehandlung in der Schweiz

Das ist nicht nur mit viel Leid verbunden, auch mit hohen Kosten. „Die künstliche Befruchtung ist in der Schweiz eine Selbstkostenleistung, welche sich die meisten Paare nicht öfter als dreimal – wenn überhaupt – leisten können. Sie haben nicht genügend Geld, sie so lange durchführen zu lassen, bis die Frau schwanger wird, sondern sie machen es eher so lange, bis ihnen das Geld ausgeht“, erklärt sie in einem Gespräch mit Felicitas Witte. 

Antibiotika als Hoffnungsträger bei chronischer Endometritis

Um die Erfolgschancen zu verbessern, begann Dr. Kohl Schwartz, die Ursachen von möglicher Unfruchtbarkeit zu erforschen. Ergebnis: Die Einnahme von Antibiotika kann die Fruchtbarkeit deutlich verbessern. „Wir haben zahlreiche Beobachtungen gemacht. Erstaunlich klar waren die Resultate mit Fokus auf die chronische Endometritis, also die chronisch entzündete Gebärmutterschleimhaut“, berichtet sie. 

Studie zur chronischen Endometritis: Hohe Erfolgsquote

Das Tückische an dieser Krankheit ist, dass sie meistens symptomfrei verläuft. Obwohl alles normal und gesund erscheint, kann sich der Embryo aber nur schlecht einnisten. “In unserer Studie haben wir 108 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch genauer untersucht und bei 42 Frauen eine chronische Endometritis diagnostiziert. Die Betroffenen nahmen während zwei Wochen lang ein Antibiotikum ein. Über 50 Prozent dieser Frauen wurden schwanger“, erläutert Kohl-Schwartz. Sie bietet diese Untersuchung Frauen mit mehreren Fehlgeburten an. 

Alarmierende Entwicklungen in der westlichen Welt

Das Thema Unfruchtbarkeit ist nämlich relevant. Groß angelegte Studien weisen auf einen alarmierenden und weitaus größeren Zusammenhang hin. In der gesamten westlichen Welt hat die Spermienqualität in den letzten Jahrzehnten nämlich deutlich abgenommen. Woran es liegt? Weiß niemand, bisher jedenfalls noch nicht. Störungen in der Fruchtbarkeit sind also kein Problem der Frauen, es ist ein Thema der gesamten westlichen Welt. 

Nahrungsergänzungsmittel und Fruchtbarkeit

Nahrungsergänzungsmittel können helfen, da die Spermien alle drei Monate komplett erneuert werden, erklärt Kohl Schwartz. „Im Gegensatz dazu haben Frauen weniger Möglichkeiten, da die Eizellen schon bei Geburt parat sind und nur noch ausreifen müssen.“ Konkret gebe es Daten, dass antioxidative Stoffe wie Vitamin C oder Zink eine positive Wirkung auf die Spermienproduktion haben. Carnitin könne zudem die Beweglichkeit der Spermien steigern. 

Positive Erfahrungen aus der Praxis

Dass diese Maßnahmen Erfolg bringen, hat die Medizinerin selbst erlebt: „Unter Umständen ist die Steigerung so gut, dass ein von schlechter Spermienqualität betroffener Mann dann wieder spontan Kinder haben kann.“ Eine weitere entscheidende Rolle spielt übrigens der Blutdruck. In einer großen Studie von Wissenschaftlern des größten Zentrums für In-Vitro-Fertilisation in China (Reproductive and Genetic Hospital von CITIC-Xiangya) und Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) wurde erstmals gezeigt, dass der Blutdruck auch den Erfolg der künstlichen Befruchtung bestimmt.

Blutdruck und Schwangerschaft: Neue Erkenntnisse

„Dies gilt offenbar nicht nur für einen Blutdruck, den wir gemäß den aktuellen Richtlinien als Bluthochdruck bezeichnen, sondern auch für Frauen, die zu Beginn der Schwangerschaft einen als normal oder hochnormal bezeichneten Blutdruck haben“, betont Professor Dr. Berthold Hocher. In der Reproduktionsmedizin war dies bisher nicht bekannt und ist entsprechend bei der Therapie von unfruchtbaren Frauen nicht berücksichtigt worden.

Dr. Alexandra Kohl Schwartz bei der Untersuchung einer Patientin.

Der Zusammenhang zwischen Blutdruck und Schwangerschaft

Die Studie umfasste mehr als 73.000 Frauen, die sich im Reproductive and Genetic Hospital von CITIC-Xiangya erstmals einer reproduktionsmedizinischen Behandlung – In-vitro-Fertilisation (IVF) oder intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) – unterzogen. Die Studie zeigt: Ein höherer systolischer Blutdruck (SBP) zu Beginn der Schwangerschaft, der aber nach den derzeitigen gültigen Diagnosekriterien als normal gilt, verringerte die Chance auf ein Baby. Für den diastolischen Blutdruck (DBP) fand man keinen Hinweis auf einen Zusammenhang.

Risiken durch höheren Blutdruck: 

Hingegen waren höherer SBP und DBP mit höheren Risiken für Fehlgeburten in den ersten Schwangerschaftsmonaten, mit Schwangerschaftsdiabetes mellitus und mit Schwangerschaftshypertonie verbunden. Man konnte sehen, dass bei Frauen mit Hypertonie – entsprechend den derzeitigen Kriterien – die Geburtenrate um 5,4 Prozent niedriger war als bei Frauen mit normalem Blutdruck.

Bedeutung für zukünftige Blutdruckrichtlinien

„Es wäre interessant zu wissen, ob die Ergebnisse dieser Studie auch für Frauen gelten, die auf natürlichem Wege schwanger werden“, konstatiert Professor Dr. Bernhard Krämer, Direktor der V. Medizinischen Klinik. „Denn dies würde bedeuten, dass die Blutdruckrichtlinien, die in den letzten Jahrzehnten anhand von Daten zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgelegt wurden, für Frauen mit Kinderwunsch überdacht werden müssten.“

Öffentliches Bewusstsein schafft Unterstützung

Unser Dank gilt Robert und Carmen Geiss, die durch das öffentliche Reden über die Fehlgeburten dazu beitragen, das Bewusstsein für dieses oft tabuisierte Thema zu schärfen. Indem sie ihre persönliche Geschichte teilen, geben sie anderen Betroffenen Mut und zeigen, dass sie nicht allein sind. Diese Offenheit kann dazu führen, dass mehr Menschen über ihre Erfahrungen sprechen und sich Unterstützung suchen, die sie dringend benötigen. Es hilft auch, den Dialog über reproduktive Gesundheit und die Herausforderungen der Unfruchtbarkeit in der Gesellschaft zu fördern. Mit diesen neuen Erkenntnissen und Behandlungsansätzen gibt es Hoffnung für viele Paare, die bisher vergeblich versuchen, ein Kind zu bekommen. Ihr seid nicht allein. 

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