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Zähneknirschen & Co – Kiefer unter Druck

Knacken im Kiefergelenk, Nackenverspannungen oder Kopfschmerzen: Diese Beschwerden können auf die sogenannte Cranio-mandibuläre Dysfunktion (CMD) zurückgehen – eine oft komplexe und oft übersehene Funktionsstörung des Kiefer- und Kaumuskelsystems. Der Leiterin der CMD-Sprechstunde an der Uni-Klinik Münster, Prof. Anne Wolowski, über aktuelle Erkenntnisse zu Ursachen, Diagnostik und modernen Behandlungsansätzen.

Die Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) ist für Patientinnen und Patienten mit einer Vielzahl belastender Beschwerden verbunden. Neben Kiefergelenkschmerzen und knackenden Geräuschen beim Kauen, berichten viele über Muskelverspannungen, die sich bis in Nacken, Schultern und Rücken ausbreiten können. Oft knirschen die Betroffenen nachts unbewusst mit den Zähnen (Bruxismus), was auf lange Sicht zum Abrieb der Zahnsubstanz führt. Weitere häufige Symptome sind Kopf- und Gesichtsschmerzen, aber auch Ohrgeräusche (Tinnitus) und Schwindel werden beschrieben.

Oft unerkannt und unbehandelt

Viele können die vielfältigen Symptome nicht richtig deuten oder bekommen zunächst falsche Diagnosen, was dazu führt, dass der eigentliche Auslöser – eine CMD – lange unerkannt bleibt. Bleibt der Druck im Kiefer unbehandelt, können sich auch Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsproblemen oder depressive Verstimmungen einstellen. „Das sprichwörtliche ‚Zähne aufeinander beißen und durch‘ ist in solchen Fällen genau der falsche Weg“, weiß Prof. Anne Wolowski, Leitende Oberärztin der Klinik für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien des Universitätsklinikums Münster (UKM).


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Eher selten sei es aber so, dass Kiefer- oder Zahnfehlstellungen als Auslöser von Bruxismus (Zähneknirschen) und anderen verspannungsbedingten Symptomen in der Kaumuskulatur und im Kiefergelenk führen, so Wolowski. Eine der Hauptursachen sei „Stress, der sich in Kiefer- und Kauapparat manifestiert, ohne dass sich die Betroffenen dessen bewusst sind“, weiß die anerkannte Expertin für CMD, die seit 2022 Generalsekretärin der Deutschen Gesellschaft für Zahn, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), der Dachgesellschaft aller zahnmedizinischen Fachgesellschaften in Deutschland, ist.

Von CMD am häufigsten betroffen sind 25- bis 45-Jährige.

Diese Altersgruppe erlebt oft große Belastungen durch Beruf und Familiengründung. Grundsätzlich kann eine CMD aber in jedem Alter auftreten und betrifft Männer wie Frauen gleichermaßen. Bewährte Therapieformen sind Aufbissschienen, Physiotherapie und Stressabbau, erklärt Wolowski. Zu Ursachen, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten spricht Prof. Anne Wolowski auf dem YouTube-Kanal des UKM. Der Talk wird live gestreamt und ist auch im Nachhinein abrufbar.

  • Foto (UKM/Kochinke): Spricht im UKM-OnlineTalk über Zähneknirschen und sonstige Folgen der CMD: Prof. Anne Wolowski.

Der Kommentar von Jonas, unserem Experten für Neurobiologie:

Ach, das Kieferknacken! Wer kennt es nicht? Du wachst morgens auf, fühlst dich wie nach einem nächtlichen Boxkampf, aber der Gegner warst du selbst. Willkommen im Club der Menschen, die „nachts Zähne zeigen“, aber leider nur im Schlaf und gegen sich selbst.

Was Prof. Wolowski hier so fundiert und klar erklärt, sollte viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Denn die Craniomandibuläre Dysfunktion ist nicht nur ein sperriger Begriff, sie ist ein echtes Volksleiden. Und eines, das oft jahrelang im Verborgenen arbeitet. Mit einem ganzen Symphonieorchester an Symptomen: Kopfweh, Kieferweh, Tinnitus, Schwindel, Nacken, Rücken, Stimmung, alles dabei. Wenn der Kiefer aus dem Takt gerät, tanzt der Rest vom Körper halt mit.

Und das Faszinierende: Die Ursache liegt selten nur im Kiefer selbst. Sondern – und da wird’s psychologisch spannend – im Druck des Alltags. Wir beißen uns durch, halten still, schlucken runter. Und unser Kaumuskel denkt sich: Na gut, wenn keiner was sagt, mach ich’s eben nachts!

Ich finde es großartig, dass die CMD-Sprechstunde in Münster hier Aufklärung leistet – und dass es längst gute Therapieansätze gibt. Schiene, Physio, Achtsamkeit. Klingt erstmal unspektakulär, ist aber oft ein echter Gamechanger. Und übrigens auch ein schönes Sinnbild: Manchmal hilft es, den Druck rauszunehmen, im Kiefer, im Leben, im Kopf.

Mein Tipp: Wer merkt, dass er nachts die Zähne zusammenbeißt, darf sich ruhig mal fragen, wo im Leben er das auch tagsüber tut. Und vielleicht ist die wichtigste Aufbiss-Schiene am Ende gar nicht aus Kunststoff, sondern ein gutes Gespräch, ein bisschen Entlastung.

Denn wie ich immer sage: Gesundheit beginnt da, wo der Mensch aufhört, sich selbst die ganze Zeit zu bekämpfen. Auch im Schlaf.

Der Kommentar von Florian, unserem Fitness-Coach:

Dieses Knacken im Kiefer, der Druck, die Verspannungen… das ist nicht nur ein bisschen Muskelkater, das ist ein Warnsignal. Und ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn der Körper einem was sagen will und keiner hört hin. Auch man selbst nicht. Was Prof. Wolowski hier sagt, ist absolut richtig und wichtig: CMD ist kein kleines Wehwehchen, das man ignorieren sollte. Es ist eine echte Belastung, die sich durchzieht, vom Kiefer bis in den Kopf, vom Schlaf bis in die Stimmung. Und wenn der Stress sich im Kiefer festbeißt, dann ist irgendwann nicht mehr nur das Gelenk blockiert, sondern das ganze Leben.

Ich finde gut, dass hier mal offen ausgesprochen wird: Der Druck, den viele Menschen zwischen 25 und 45 spüren, der ist real. Job, Familie, immer funktionieren. Aber keiner sagt dir: Du darfst auch mal loslassen. Und genau da liegt der Punkt: Wenn du alles runterschluckst, dann meldet sich irgendwann der Körper. Und der ist gnadenlos ehrlich. Ich sag’s mal sportlich: Zähne zusammenbeißen und durch funktioniert vielleicht in einem Fünfsatzmatch, aber nicht im Alltag. Wer das zu lange macht, zahlt am Ende den Preis. Und der ist hoch: Schlaflosigkeit, Schmerzen, Erschöpfung. Und das Schlimmste ist: Man merkt’s erst, wenn es zu spät ist.

Also: Hört auf euren Körper. Holt euch Hilfe, bevor der Schmerz euch steuert. Und glaubt mir: Die schwerste Entscheidung ist oft nicht, weiterzumachen. Sondern rechtzeitig zu sagen: Jetzt kümmere ich mich um mich. Und das ist kein Rückzug. Das ist der Anfang vom Comeback.




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