
Natürlich schön altern
Was wir von französischen Frauen lernen können
Hier schreibt die Ute. Über 50, mit mehr Lebenserfahrung als Faltencremes im Badezimmerschrank. Liebt Bücher, guten Rotwein und Gespräche, die auch mal wehtun dürfen. Sie hält nichts von Schönheitswahn und Fitness-Apps, aber viel von ehrlichen Worten und warmem Apfelkuchen. Mit Sahne. Und jeden Dienstag schenkt sie uns ihre Gedanken.
Manchmal frage ich mich, was aus uns Frauen geworden ist. Wir, die wir früher mit stolzgeschwellter Brust durch die Fußgängerzone stöckelten, die Schokolade heimlich auf der Couch aßen und mit einer Haarfarbe experimentierten, als ginge es um Leben und Tod. Heute scheinen wir alle in einer Art Wettbewerb zu stecken: Wer hat die glatteste Stirn? Wer sieht mit 60 aus wie mit 40? Wer kann sich noch in die Jeans von 1993 zwängen, ohne dabei ohnmächtig zu werden? Und dann sehe ich sie. Die Französinnen. Diese Frauen, die scheinbar so gar nichts mit unseren ewigen Selbstoptimierungs-Marathons am Hut haben. Sie sitzen im Café, trinken ein Glas Rotwein zum Mittag, lachen mit voller Stimme, und wenn ein Windstoß ihre Frisur zerstört — c’est la vie!
Natürlich schön altern: Was wir von französischen Frauen lernen können
Ach, Frankreich. Das Land des guten Essens, der großen Gesten und der kleinen Sünden. Wenn ich in Paris aus dem Zug steige, habe ich sofort das Gefühl, schöner, leichter, eleganter zu sein. Das liegt nicht nur an den Croissants, dem Café au lait oder dem charmanten „Bonjour“ des Bäckers. Es liegt an den Frauen, die dort mit einer Selbstverständlichkeit durch die Straßen spazieren, die mich jedes Mal beschämt mein Bauchkneifhöschen verfluchen lässt. Französische Frauen altern anders. Punkt. Während wir hierzulande mit 50 schon hektisch Hyaluronspritzen, Vitamin-C-Seren und Glow-Masken horten, gehen die Französinnen mit einer fast spöttischen Lässigkeit an die Sache heran. Sie werden einfach älter – und fertig. Kein Drama. Kein Gejammer. Stattdessen: ein Augenzwinkern, ein roter Lippenstift und ein guter Bordeaux.
Die Schönheit der kleinen Makel
Man muss es ihnen lassen: Französische Frauen kultivieren ihre Ecken und Kanten. Eine Falte hier, ein graues Haar da? Ach, c’est la vie! Das gehört dazu. Während wir verzweifelt versuchen, unsere Stirn glatt wie eine frisch gebügelte Leinenbluse zu halten, betrachten Französinnen ihre Falten als Zeichen eines gut gelebten Lebens. Sie erzählen Geschichten: von langen Nächten, großen Lieben, lautem Lachen und vielleicht auch von Tränen, die in einer Pariser Bar mit einem Glas Pastis getrocknet wurden. Sie würden nie auf die Idee kommen, sich für ihre Jahre zu entschuldigen. Im Gegenteil: Jede Linie im Gesicht ist ein Orden, ein Beweis für Mut und Abenteuerlust.
Der Charme des Unperfekten
Was mir an den Französinnen so gefällt, ist ihre Nonchalance. Sie müssen nicht perfekt aussehen. Ihre Haare sind nicht immer frisch geföhnt, ihre Outfits wirken oft, als hätten sie sie im Halbschlaf übergeworfen. Aber wehe, Sie glauben, das sei Nachlässigkeit! Dahinter steckt eine feine Kunst: die Kunst, das Leben wichtiger zu nehmen als die Selbstoptimierung. Während wir mit unseren Fitness-Apps um die Wette rennen, lassen sich Französinnen lieber Zeit. Sie genießen ein Baguette mit Butter, einen guten Käse – ohne schlechtes Gewissen. Sie wissen: Genuss ist das beste Anti-Aging-Serum. Wer viel lacht, gut isst und sich selbst nicht zu ernst nimmt, bleibt länger jung – zumindest im Herzen. Und das sieht man.
Weniger ist mehr
Französinnen übertreiben nicht. Weder mit Make-up noch mit Botox noch mit Diäten. Sie setzen auf Qualität statt auf Quantität: ein gutes Parfum, ein sorgfältig ausgewählter Lippenstift, ein handverlesenes Kleid. Dafür geben sie gern etwas mehr Geld aus, aber sie kaufen weniger. Kein übervoller Kleiderschrank, in dem noch der Fehlkauf von 2008 hängt. Stattdessen: wenige Stücke, die sie lieben und immer wieder tragen. Und: Sie lassen ihre Persönlichkeit sprechen. Eine Französin muss nicht jedem Trend hinterherlaufen, um dazuzugehören. Sie IST der Trend.
Die innere Haltung
Die größte Lektion aber ist vielleicht die: Es geht nicht um das Alter, sondern um die Haltung. Eine Französin geht aufrecht, schaut dir in die Augen, lächelt ein wenig geheimnisvoll. Sie hat keine Angst davor, gesehen zu werden – auch nicht mit 60, 70 oder 80. Es ist diese selbstbewusste Ruhe, die so unwiderstehlich wirkt. Diese leise Botschaft: „Ich bin genug. Mit allen Dellen, Falten und Narben.“
Was wir uns abschauen können
Wir können lernen, uns wieder mehr zu mögen. Mit allem, was wir sind. Nicht jeder neue Beauty-Trend muss ausprobiert, nicht jede Falte sofort weggezaubert werden. Stattdessen könnten wir uns öfter fragen: Wer bin ich eigentlich ohne all diese Masken? Und was macht mich wirklich schön? Vielleicht ist es am Ende doch nicht die teuerste Creme, sondern ein lauter Lachanfall mit Freundinnen. Ein Abend auf dem Balkon mit Rotwein und Baguette. Oder das stolze Gefühl, die eigene Geschichte im Gesicht zu tragen. Denn, mal ehrlich: Ein paar Falten mehr haben noch niemanden davon abgehalten, charmant, klug und einfach umwerfend zu sein. Oder, um es auf Französisch zu sagen: C’est la vie – und es ist schön so.
Voilà!
Die Ute vom Dienstag