Gesund

Ich gieße mich selbst!

Wie ich aufhörte, zu dehydrieren und anfing, mich besser zu fühlen

Von Jakob Hellmann

Neulich saß ich abends auf dem Sofa, die Socken halb ausgezogen, ein leeres Glas auf dem Couchtisch und ein dumpfer Kopfschmerz in der Stirnmitte. Ich hatte, wie so oft, vergessen zu trinken. Dabei weiß ich es doch längst besser. Ich war schließlich über zwanzig Jahre im Ausland unterwegs – Wüsten, Urwälder, Moskauer Zentralheizungen im Februar. Ich habe gesehen, wie Körper dehydrieren. Und trotzdem passiert mir das im westdeutschen Alltag: Ich vergesse, genug zu trinken. Und fühle mich dann am späten Nachmittag wie ein schlecht gewarteter Laserdrucker – müde, kratzig, leer.

An dem Tag habe ich angefangen, es ernst zu nehmen. Seitdem trinke ich systematisch Wasser.

Warum unser Körper mehr ist als ein durstiger Tank

Man muss es so klar sagen: Wir sind überwiegend Wasser. Oder, wie mein alter Kollege in Manila mal trocken meinte: „Der Mensch: ein kompliziert denkender Wassersack.“ Das Wasser in uns schmiert die Gelenke, kühlt den Motor, versorgt jede Zelle. Wenn wir zu wenig davon haben, werden wir langsam – körperlich, geistig, seelisch. Und zwar, bevor wir überhaupt Durst verspüren. Denn Durst ist nicht der Anfang, sondern das Warnsignal.  Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sagt: 1,5 Liter täglich. Ich sage: Fang mit einem Glas an. Und dann noch eins. Denn auch wenn Zahlen helfen – am Ende ist es eine Frage des Gefühls.

Wasser macht den Unterschied

Ich habe mal zwei Kolleginnen meines Buchclubs befragt. Sabine, Marketingleiterin, zwei Kinder, voll durchgetaktet. Morgens Kaffee, mittags Kaffee, abends die Erkenntnis: wieder kaum getrunken. Sie klagte über Kopfschmerzen, rissige Haut, ständige Erschöpfung.  Anna hingegen, Lehrerin, ebenfalls Mutter, hatte ihre Flasche wie eine zweite Hand dabei. Trank zwischen zwei Korrekturen, vor dem Meeting, nach dem Mittag. Sie hatte sich extra eine große zwei Liter Flasche besorgt. Ihr ging es besser: Ihre Haut machte weniger Probleme, sie war den ganzen Tag lang wach und energiegeladen und fühlte sich wohl in ihrem Körper.


Weitere Themen:

Kleine Signale, große Wirkung

Ich musste erst 50 werden, um zu lernen, auf meinen Körper zu hören, bevor er schreit. Trockene Lippen? Müdigkeit nach dem Mittag, obwohl man genug geschlafen hat? Dunkelgelber Urin? Alles Hinweise, die nicht gleich nach Dr. Google schreien, aber nach einem Glas Wasser. Mein Hausarzt hat mir mal diesen Hauttest gezeigt: Haut auf dem Handrücken zusammenkneifen, loslassen, schauen. Glättet sie sich nicht sofort, bist du wohl ein bisschen trocken unterwegs. Ich mache das manchmal morgens im Bad, so zwischen Zähneputzen und dem ersten „Was liegt heute an?“.

Und weil ich kein Fan von Alarmtönen bin: Ich habe angefangen, zu trinken, bevor ich’s merke. Vor dem Schreiben. Nach dem Telefonat. Immer, wenn ich sonst zur Kaffeemaschine gegangen wäre. Das klingt langweilig, ist aber super effektiv. 

Strategien für Menschen mit innerer Rebellion gegen Wasser

Es geht um Zugänglichkeit. Ich habe mir eine Karaffe gekauft, die aussieht, als hätte man sie in einem Pariser Café vergessen. Die steht jetzt auf meinem Schreibtisch. Sie ist nicht besonders groß, aber stilvoll genug, dass ich sie benutzen will. Und ich habe festgestellt: Wasser schmeckt besser, wenn es in einem schönen Glas ist. Das klingt albern, ist aber wirklich wahr. 

Dann: Kopplungsgewohnheiten. Ein Glas Wasser vor jeder Mahlzeit, nach jedem Gang zur Toilette (man kommt ja eh dran vorbei). Funktioniert erstaunlich gut. Apps? Habe ich probiert. Hat mich mehr gestresst als unterstützt. Ich bin eher der Papier-Typ. Also habe ich in meinem Notizbuch eine kleine Ecke fürs Trinken, wo ich dokumentiere, wie viel ich am Tag circa trinke.

Wenn Wasser nicht reicht: Geschmack, bitte!

Ich gestehe: Reines Wasser langweilt mich. Deshalb trickse ich. Zitronenscheiben, Minze, gefrorene Beeren, ich baue mir manchmal ein ganzes kleines Sommerbuffet im Glas. Es sieht aus wie diese coolen Food-Fotografie aus den Neunzigern, und es schmeckt.  Manchmal gibt’s auch ungesüßte Tees. Kräuter, Frucht, Kamille. Ich bin inzwischen Teetrinker geworden – natürlich nur aus Pragmatismus. Und ja: Auch eine gut gekühlte Saftschorle darf sein. Solange sie mehr Wasser als Saft enthält. Ich meide Süßstoffe. Nicht aus Prinzip, sondern weil sie mir einfach nicht schmecken. Aber da muss jede*r den eigenen Weg finden. Im Büro habe ich mir irgendwann angewöhnt, die Flasche sichtbar hinzustellen. Wie ein Kollege, der nie nervt, aber immer da ist. Auf Reisen: faltbare Flasche. Im Hotel: Wasser neben das Bett. Ich habe daraus ein Ritual gemacht – wie andere ihre Yogamatte ausrollen. Nur dass ich nicht dehne, sondern gieße. Mich selbst.

Kleine Helfer, große Wirkung

Meine Wasserflasche hat inzwischen ein Namensschild. Sie begleitet mich wie ein alter Freund. 750 ml, passt in jede Tasche, keine Schadstoffe. Ich habe lange gesucht, bis ich eine gefunden habe, die ich wirklich mochte. Seitdem: kein Problem mehr. Auch Strohhalme helfen (aus Glas, versteht sich). Temperatur auch. Ich bin der lauwarme Typ. Eiskalt finde ich unangenehm – außer im Hochsommer. Finde raus, was dir hilft und dann bleib dabei.

Und falls du dich jetzt fragst, ob du schon genug getrunken hast: Wahrscheinlich nicht. Hol dir ein Glas. Und dann setz dich wieder. Das Leben ist lang, aber besser mit genug Flüssigkeit.

Jakob Hellmann, 52, trinkt inzwischen mehr Wasser als Kaffee. Meistens jedenfalls.

Teilen