Gesund

Hilfe aus dem Osten?

Traditionelle Chinesische Medizin bei Post-Covid

Viele Menschen kämpfen noch Monate nach einer überstandenen Corona-Erkrankung mit Müdigkeit, Atemnot oder Leistungsabfall. Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich zeigen: Auch Methoden aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) könnten bei Post-Covid Linderung bringen.


Wenn das Virus nicht ganz geht

Wer Covid-19 hatte, ist oft noch lange nicht wieder fit. Zehn Prozent der Betroffenen leiden laut Studien auch Wochen oder Monate später unter Beschwerden. Dieses sogenannte Post-Covid-Syndrom äußert sich zum Beispiel durch anhaltende Erschöpfung, Kurzatmigkeit und nachlassende körperliche und geistige Leistungsfähigkeit Eine gezielte Therapie gibt es bislang nicht. Doch alternative Ansätze, etwa aus der Traditionellen Chinesischen Medizin, rücken zunehmend in den Fokus – auch in der ärztlichen Praxis.


Hilft Akupunktur?

Neun Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland und Österreich, spezialisiert auf Chinesische Medizin, haben die Behandlungen von insgesamt 79 Post-Covid-Patientinnen und -Patienten dokumentiert. Untersucht wurden Symptome und Beschwerden, Vorerkrankungen und Impfstatus und der Verlauf der TCM-Behandlung.

Zum Einsatz kamen verschiedene Methoden:

  • Akupunktur (bei 85 % der Patient:innen)
  • Chinesische Kräutertherapie (77 %)
  • Bewegungstherapie wie Qi Gong
  • Ernährungstipps und Lebensstilberatung

Das Ergebnis: Die behandelnden Ärzt:innen berichteten von einer durchschnittlichen Besserung der Symptome um rund 62 Prozent. Besonders positiv bewertet wurde die Linderung von Müdigkeit und Kurzatmigkeit.


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Was bedeutet das für Betroffene?

Die gute Nachricht: Viele Patient:innen, die mit TCM behandelt wurden, fühlten sich nach einiger Zeit besser und wer unter langfristigen Covid-Symptomen leidet, sollte mit seinem Arzt darüber reden. Allerdings ist Vorsicht bei der Interpretation geboten:

  • Die Studie ist eine Beobachtungsstudie – das heißt, es wurde keine Vergleichsgruppe untersucht.
  • Es wurden keine objektiven Messwerte wie Bluttests oder Belastungstests erhoben.
  • Die Angaben basieren auf subjektiven Einschätzungen der Behandelnden.

Die Ergebnisse sind ein erster Hinweis, dass TCM helfen kann, sie beweisen es aber nicht. Die Forscherinnen und Forscher fordern deshalb weitere, größere Studien mit klaren wissenschaftlichen Standards.


Das sagt die Expertin

„Es lohnt sich, die Wirkung von Akupunktur und chinesischer Arzneimitteltherapie bei Post-Covid-Syndrom in einer kontrollierten Studie weiter zu erforschen“,
sagt Prof. Dr. Karin Meißner, Professorin für Integrative Medizin an der Hochschule Coburg. Ihre Arbeitsgruppe hat die Studie zusammen mit zwei Fachorganisationen für TCM durchgeführt.


Gut zu wissen

Wer sich für TCM interessieren, beachtet bitte Folgendes: Sucht eine qualifizierte Ärztin oder einen qualifizierten Arzt mit TCM-Zusatzqualifikation. Lasst euch nicht auf „Wundermittel“ oder unseriöse Versprechen ein. TCM kann ergänzen, aber keine klassische medizinische Behandlung ersetzen.

  • Foto: Prof. Dr. Karin Meißner, Professorin für Integrative Medizin an der Hochschule Coburg | Quelle: Danny Wiegand | Copyright: Hochschule Coburg 

Mehr Informationen


Jana Kraft et al.: Traditional Chinese Medicine for Post-COVID: A retrospective cohort study. Medicine 104(18):p e42275, May 02, 2025. | DOI: 10.1097/MD.0000000000042275.
https://journals.lww.com/md-journal/fulltext/2025/05020/traditional_chinese_medicine_for_post_covid__a.43.aspx


Der Kommentar von Jonas, unserem Experten für Neurobiologie: Akupunktur gegen Erschöpfung? Wenn Nadeln mehr bewirken als nur ein Pieks.“

Wissen ihr, was mich an dieser Studie zur Traditionellen Chinesischen Medizin bei Post-Covid besonders freut?
Dass wir endlich mal nicht sagen: „Da kann man nichts machen“, sondern: „Vielleicht kann man doch was machen, nur eben anders als gewohnt.“

Ich habe gelernt: Placebo ist nicht das Gegenteil von Wirkung, sondern ein Beweis dafür, wie stark der Mensch sich selbst helfen kann, wenn er daran glaubt. Und ganz ehrlich: Wenn mich jemand fragt, ob Akupunktur gegen Erschöpfung hilft, sage ich: Kommt drauf an. Auf die Nadeln, die Hände, den Menschen und darauf, dass überhaupt mal jemand zuhört.

Viele Menschen, die an Post-Covid leiden, sind nicht nur müde – sie sind zermürbt. Von der Ungewissheit. Von der Frage: „Bild ich mir das ein?“ Nein, das bildest du dir nicht ein. Erschöpfung kann sehr real sein.
Und manchmal hilft da eben nicht nur das Labor, sondern auch Lebensstil, Liebe und eine gute Tasse Tee.


Was die Chinesen schon lange wissen – und wir gerade erst wieder entdecken

Die Chinesische Medizin schaut auf den Menschen nicht als Summe seiner Organe, sondern als Ganzes. Und ich finde: Das ist auch eine gute Idee für die westliche Medizin.

Wenn jemand sagt:

„Ich habe Nadeln bekommen und danach konnte ich besser durchatmen und wieder Treppen steigen“, dann frage ich nicht: „Wo ist Ihre randomisierte Doppelblindstudie?“,
sondern: „Wie schön, was hat Ihnen daran gutgetan?“

Denn manchmal ist es nicht die eine Methode, sondern das Gefühl, gesehen zu werden. Post-Covid ist wie ein langer Winter im Körper. Und wenn eine uralte Methode wie Akupunktur dabei hilft, wieder Frühling werden zu lassen, dann lohnt sich der Blick über den Tellerrand – oder meinetwegen auch über die Reisschale.

Aber bitte: nicht glauben, dass alles, was „alternativ“ heißt, automatisch besser ist. Sondern dass das Beste entsteht, wenn wir Schulmedizin und Erfahrungsheilkunde nicht gegeneinander ausspielen, sondern gemeinsam nutzen.

In diesem Sinne: Manchmal steckt in einer Nadel mehr Energie als in zehn gut gemeinten Ratschlägen.

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