Freizeit

Eros – ein verkanntes Naturtalent in der Fährtensuche

Vor einigen Jahren kam Eros, ein dunkelgrauer Schäferhund-Rüde, zu mir. Er war ein Scheidungsopfer, sollte dringend abgegeben werden. Er gefiel mir sehr gut und so fiel mir die Entscheidung nicht sonderlich schwer. Eros war im Hundesport geführt worden, hatte die VPG2-Prüfung bestanden, wenn auch nicht mit sonderlich berauschenden Ergebnissen.

Ich glaubte, in ihm ein gewisses Potenzial zu erkennen, und wollte ihn ebenfalls im Sportbereich führen. Zunächst mussten wir beide uns natürlich ein bisschen näher kennenlernen, denn ohne Bindung funktioniert keine Ausbildung wirklich vernünftig. Tatsächlich dauert es sehr lange, bis von einem wirklichen Team gesprochen werden kann, bis man das Gefühl hat, der Hund versteht auch die kleinen, bewussten wie auch unbewussten Hilfen. Umgekehrt ist dies natürlich ähnlich gelagert.
Nachdem wir ein wenig Gefühl füreinander entwickelt hatten, begann ich mit zunächst leichtem Training im Unterordnungsbereich und auch im Schutzdienst. Grundsätzlich hatte Eros die Übungen schon verstanden, jedoch mangelte es an der schnellen und tatsächlich korrekten Ausführung der Teilübungen. Das Problem ist, dass Fehler sehr schwer wieder zu korrigieren sind, ohne dass sich maßgebliche Dinge ändern. Am besten ändert man alles: vom Ort über Hilfsmittel bis hin zu Führer und Hörzeichen. Nun sind die Hörzeichen im Hundesport in der Prüfungsordnung verankert, also mussten die bisher durchgeführten Veränderungen reichen.

Das Training beginnt

Irgendwann startete ich dann auch das Training in der Abteilung A, also der Fährtenarbeit. Um sein Suchvermögen bzw. die bisher genossene Ausbildung zu überprüfen, legte ich ihm eine relativ normale VPG 3-Fährte – wie einen Stuhl mit drei Zielgegenständen.
Ich setzte an und alles verlief absolut hervorragend. Eros marschierte langsam und gleichmäßig los, die Nase tief am Boden, hoch konzentriert. Ich war tief beeindruckt. Nun kamen wir an den ersten Winkel, ich beobachtete gespannt sein Verhalten und war mir absolut sicher, dass er gleich wie auf Schienen um die Ecke biegt. Eros erreichte ruhig suchend und konzentriert den Winkel und … marschierte geradeaus weiter. Ich war nochmals tief beeindruckt. Was war denn das? Ohne eine erkennbare Verhaltensänderung zu zeigen, suchte Eros weiter. Sehr schön anzuschauen, nur leider war dort keine Fährte mehr. Ich glaube, hätte ich ihn nicht eingebremst, wir hätten noch mehrere Kilometer geradeaus zurückgelegt. Nachdem ich meinen vierbeinigen Kollegen vorsichtig wieder eingefangen hatte, setzte ich erneut auf der nächsten Geraden an. Auch hier wieder hervorragende Sucharbeit, nur Winkel, die gab es für ihn nicht. Da musste wohl einiges in seiner Grundausbildung gründlich danebengegangen sein.

Fehler bei der Grundausbildung

Im Nachhinein ist es natürlich immer sehr schwer herausfinden, was genau in der Ausbildung „suboptimal“ gelaufen ist. Von einer Sache kann man jedoch sicher ausgehen: Der Hund macht den Fehler nicht absichtlich. Eros hatte offensichtlich lernen sollen, Winkel absolut korrekt auszuarbeiten. Da dies nicht unbedingt von allein geschieht und normalerweise das Resultat einer langen, intensiven und zielgerichteten Ausbildung ist, hat man Eros wohl ein wenig über das Ziel hinausschießen lassen. Er hatte offensichtlich gelernt, dass, wenn er einen Fehler macht, er mit Einwirkungen vom Hundeführer zu rechnen hat. Diese Einwirkungen blieben aus, wenn er intensives Suchverhalten zeigt. Also entschied er für sich, sobald er vor relativ normalen Problemen steht und diese nicht sofort lösen kann, in eben dieses intensive Suchverhalten zu flüchten. Dieses wurde sehr wahrscheinlich stets positiv verstärkt. Das Problem war: Er zeigte nur ein Verhalten wie beim Suchen, schaltete aber komplett ab. Nun könnte man meinen, man kriegt mit ihm aufgrund der erlernten und bestätigten Verhaltensweise keine gute Fährtenarbeit mehr hin. Das stimmt, wenn man versucht, auf der Fährte zu korrigieren und im Schema bleibt. Tatsächlich war es eigentlich gar nicht so schwierig. Ich baute mit Eros das Fährten komplett neu auf. Ich änderte aber nicht die Fährtenlegetaktik, die Form der Fährte, die Anordnung der
Leckerchen, die Form der Bestätigung oder was es sonst noch alles gibt. Ich wollte ihm klarmachen, dass er durchaus Fehler machen darf.

Die Lösung

Ich band ihn also im Gelände an, erregte seine Aufmerksamkeit und begann eine kurze Fährte zu legen. Dann ging ich zügig zu ihm, band ihn los und ließ direkt mit dem Suchen beginnen. Ich blieb dicht neben ihm, mit dem Finger im Halsband, um einen ganz leichten Druck nach unten zu erzeugen. Mit der anderen Hand machte ich ihm die Fährte interessant, indem ich die Finger auf der Fährte bewegte (Bewegungsseher). Nach nur 8-10 Schritten konnte ich seine Nase wieder arbeiten hören. Er erhielt eine entsprechende Bestätigung über Futter und überschwängliches Lob. Nach nur zwei solcher Fährten war das Eis gebrochen, er benutzte seine Nase wieder und das hervorragend. Natürlich war noch einiges an Übung erforderlich, aber das war Routine.
Eros bestand einige Fährtenprüfungen mit sehr gutem Ergebnis und hatte bis in das hohe Alter Spaß an der Fährtenarbeit.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.

Martin Weitkamp

Im Schatten der Gefahr

Hardcover, 128 Seiten, s/w

ISBN: 978-3-9815634-2-9

www.minervastore.de

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